123.
Pferdeflüsterer - Hundeflüsterer
Was für zauberhafte Bezeichnungen für Menschen, die eine scheinbar einzigartige Verbindung mit einem Tier eingehen können. Menschen, die etwas an sich haben, das einem scheinbar in die Wiege gelegt wurde. Jemand, der sich scheinbar wortlos mit Tieren unterhalten kann, in dessen Gegenwart scheinbar jede noch so wilde Bestie zum Lämmchen wird.
So viele Male das Wort „scheinbar“?
Doch genannter Schein trügt. Wer sich ein bißchen mit dem Verhalten, mit der Kommunikation, mit Kynologie, mit Hippologie, mit der Körpersprache, mit dem Wesen des Tieres beschäftigt, wird die sogenannten "Flüsterer" durchschauen und entzaubert feststellen: Hier wird gar nicht geflüstert - ganz im Gegenteil. Diese selbsternannte Art von Flüsterei basiert einzig und alleine auf das Ausüben von Druck.
Statt Peitsche und Sporen zu verwenden, man will ihm ja nicht weh tun, scheucht man das Pferd statt dessen solange auf einem eingezäunten Platz im Kreis herum, der keine Rückzugsmöglichkeit zulässt, bis das Pferd sich in seiner Auswegslosigkeit dem Menschen zuwendet und somit psychisch gebrochen ist und aufgibt. „Jetzt schließt er sich dem Menschen an“. Kennt man beim Menschen von sogenannten Stockholm-Syndrom. Durch vehementes Rückwärtsschicken kann man sich sehr schnell als der dominante Herrscher über sein Pferd aufspielen. Ist das wirklich Flüstern? Und vor allem: Wo ist der Unterschied zwischen dem physischen und dem psychischen Brechen eines Pferdes? Keiner! Gebrochen ist gebrochen. Warum ist diese Blenderei so schwer zu durchschauen? Weil Menschen sich gerne von Äußerlichkeiten blenden lassen und nicht wirklich in die Tiefe schauen können. Sehen diese „beflüsterten“ Pferde glücklich aus? Stolz? Voller Energie? Oder sehen sie so aus, wie sie sind: Arme gebrochene Wichte anstelle von wirklichen edlen Rössern? Erlernte Hilflosigkeit, und diese stellt sich bei fast allen Pferden ruckzuck ein. Wollen wir das? Ist das wirklich Flüstern? Ist das wirklich eine Fähigkeit?
Ähnlich ist es beim Hund. Das Zusammenleben mit einem Hund ist scheinbar vom ersten Tag an sehr kompliziert. Daher bestellt man schon mal ein Jahresabo bei der Hundeschule nebenan, und nach einem Jahr hat sich immer noch nicht viel getan. Da kommt der nette Herr aus dem TV gerade recht. Unglaublich, was er schafft: Menschenmeuchelnde Bestien sieht man da auf dem Bildschirm, und der Hundeflüsterer macht ein paar kleine Bewegungen, das Ganze untermalt mit Filmmusik, die in Horrorfilmen ihresgleichen sucht, und schon liegt der beflüsterte Hund scheinbar entspannt am Boden und hält scheinbar ein kleines Nickcherchen. Schon wieder so viele „scheinbars“? Fortan nennt sich jeder Hundetrainer Hundeflüsterer, egal wie er arbeitet. Und erst recht die Kollegen im Fernsehen. Da will keiner zurückstecken. Jeder will „Hundeflüsterer“ heißen. Um das Ganze kurz zu machen: Auch hier werden Hunde gebrochen, und das ist so was so einfach, das kann jeder nachmachen.
Ist das Flüstern?
Wo ist eigentlich bei beiden der Unterschied, also beim Pferde- und Hundeflüstern im Vergleich zu der Art und Weise wie man früher mit diesen Tieren umgegangen ist? Früher wurden beide Spezies genauso gebrochen, wie heutzutage. Mit dem großen Unterschied: Diejenigen, die das heute wieder (und die Betonung liegt auf „wieder“, denn es wurde nicht neu entdeckt) so handhaben sind mittlerweile Stars. Die die das früher so handhabten kannten es einfach nicht anders. Denn früher waren Tiere nichts wert. Ging der eine oder andere dabei drauf, war das eben Pech. Nur ein Viech!
Wäre es nicht langsam an der Zeit, wirkliches "Flüstern" zu lernen? Zu lernen, auf Tiere einzugehen? Sie zu respektieren für ihre Einzigartigkeit. Sie zu lieben und so zu nehmen wie sie sind? Uns von ihnen verzaubern zu lassen? Uns in ihre Welt einladen lassen? Es ist machbar, aber dazu müssen wir wegkommen von der üblichen Denke, uns über ein Tier zu erheben. Wegkommen von Ehrgeiz und Wollen. Und in der Demut beginnen. Und die ist das Gegenteil von der Hochmut.
In diesem Sinne: Lernen Sie wirkliches Hundeflüstern... es ist so einfach, und der Schlüssel dazu liegt in Ihrem Herzen, Ihrem Bauchgefühl und in Ihrem logischen und gesunden Menschenverstand. Lassen Sie sich nie etwas einreden, was dagegen spricht.
122.
NEIN!
Können Sie NEIN! sagen?
Ja sicherlich! werden Sie jetzt sagen.
Unterschätzen Sie das nicht. Es gibt viele Menschen, die das nicht können, und das ist keine Seltenheit.
Sie haben Angst. Angst davor, als unfreundlich zu gelten. Angst davor, nicht akzeptiert zu werden, abgelehnt zu werden. Angst davor, unangenehme Reaktionen zu erhalten. Angst davor, als egoistisch zu gelten. Angst davor, dass der andere gekränkt werden könnte oder beleidigt sein könnte. Angst davor, sich rechtfertigen zu müssen.
Aber zu Ihrem Hund sagen Sie doch ständig NEIN!, nicht wahr? Ganz ohne ein schlechtes Gewissen. Zig mal am Tag. Macht er wirklich in Ihren Augen so viele Fehler in seinem kleinen Hundeleben?
Oder haben Sie gar versäumt, ihm auf verständliche und für ihn nachvollziehbare Art und Weise zu zeigen, was Sie denn nun eigentlich von ihm wünschen und erwarten?
Geben Sie Ihrem Hund doch bitte die Chance etwas richtig zu machen, anstatt Ihm ständig seine Fehler aufzuzeigen. In seiner Welt sind diese angeblichen Fehler das Vernünftigste und Logischste, was er in diesem Moment machen kann. Er lebt in einer Welt mit anderen Maßstäben als denen von uns in dieser Gesellschaft.
Bieten Sie ihm für sein angebliches von Ihnen bezeichnetes Fehlverhalten ein Alternativverhalten an. Ein Alternativverhalten, welches für ihn genauso Sinn macht wie sein angebliches Fehlverhalten. Und dafür loben Sie ihn dann bitte.
Loben sie ihn für dieses Alternativverhalten und verkaufen Sie ihm Ihre Idee als die Seine. DAS ist nachhaltig, DAS stärkt die Bindung, DAS läßt ihn wachsen, DAS läßt ihn Ihnen zuhören, das läßt ihn reifen, das schweißt Sie beide zusammen.
Und dennoch: Lernen Sie NEIN! sagen.
NEIN! zu dem Hundehalter, der seinen angeleinten Hund zu Ihrem angeleinten Hund zum Beschnuppern lassen will.
NEIN! zu dem Hundetrainer, der Ihren Hund straft oder Ihnen weis machen will, dass ein entspanntes Miteinander nur über Strafe, Maßregeln, Bedrohen, Erschrecken und Schmerzen geht.
NEIN! zu dem Tierarzt, der Ihnen erzählt, dass Sie Ihren Hund nicht trösten dürfen, weil das angeblich seine Angst bestärken würde.
NEIN! zu einem anderen Hundehalter, der Ihnen die seit 40 Jahren wissenschaftlich widerlegte Dominanz-, Alpha- und Rudelführertheorie reindrücken will.
NEIN! wenn es gegen Ihren Hund geht. Er ist Ihr Schützling.
In diesem Sinne – man lernt nie aus
121.
Warum es absolut kontraproduktiv ist, einen aggressiven Hund zu strafen.
Hunde haben von Natur aus kein Interesse an Aggressionen. Sie sind extrem friedliebende Tiere und gehen Konflikten aus dem Weg, wo immer es möglich ist. Dafür hat ihnen die Natur eine Fülle von körpersprachlichen
Kommunikationsmöglichkeiten gegeben, die sogenannten "Calming Signals", die "Beschwichtigungssignale", die von der Norwegerin Turid Ruugas 2001 in einem gleichnamigen Buch zusammengefasst und veröffentlicht wurden. Diese Calming Signals dienen unter anderem dazu, dem Gegenüber zu signalisieren: "Ich habe kein Interesse an Konfrontationen."
Auch wir senden unbewußt eine Fülle von ähnlichen körpersprachlichen Signalen aus, wir nennen es oft "Verlegenheitsgesten".
Auch das sogenannte Unterwerfen des Hundes, also das sich auf den Rücken legen (welches immer freiwillig gemacht wird!) hat nichts mit einem angeborenen Hang zum Masochismus zu tun, sondern dient einfach nur dazu, eine friedliche Stimmung zu vermitteln, fast vergleichbar mit einem Hippie, der grinsend das Peacezeichen mit den Händen zeigend seine Friedfertigkeit demonstrieren will. Make love – no war.
„Aber es gibt doch so viele aggressive Hunde“, werden Sie jetzt zurecht sagen.
Ja, und diese aggressiven Hunde sind vom Menschen zu dem gemacht worden, was sie jetzt sind. Zum Beispiel indem man sie sich ständig gegenseitig an der Leine beschnüffeln läßt. Beide Hunde wissen, dass sie im Falle eines Falles keine Chance zur Flucht haben, bzw. sie im Vorfeld gar nicht erst dem Kollegen aus dem Weg gehen können, um eventuelle auftretende Konflikte zu vermeiden. Bevor der andere sich als Aggressor herausstellt, ergreift man lieber als Erster die Initiative und greift seinerseits an. So hat man im Notfall die besseren Karten.
Oder in den berühmten Welpenspielstunden, wo die lieben Kleinen zur angeblichen Sozialisierung alles unter sich ausmachen sollen und der Hundehalter auf keinen Fall einschreiten und zur Hilfe kommen darf. So lernen Hunde, dass Mobbing Spass macht, ein gutes Gefühl macht, und die gemobbten Hunde wiederum lernen, dass sie von ihrem Menschen nie Hilfe erwarten können und schützen sich ab sofort selber. Indem sie sicherheitshalber alles was entgegen kommt durch lautes Bellen oder Scheinangriffe versuchen einzuschüchtern. Vorsicht ist besser als Nachsicht.
Oder die Hunde, die Ihren Individualbereich nicht schützen dürfen. Zum Beispiel durch Knurren oder Abschnappen, wenn ihnen ein Kollege zu nahe kommt. Bedenken Sie, liebe Leser und vor allem Leserinnen, wie es Ihnen in so einem Fall gehen würde. Erinnern Sie sich an die berühmte Armlänge Abstand? Auch Ihr Hund hat das Recht auf Abstand, und das müssen Sie ihm erlauben in seiner Sprache zu kommunizieren. Das hat nichts mit Aggression zu tun. Würden Sie sich für einen aggressiven Menschen halten liebe Damen, wenn eine fremder Mann auf Sie zukommt, Ihnen an die Brüste fassen will mit den Worten: „Darf ich mal?“ und Sie ihm eine Ohrfeige verpassen würden? Das ist keine Aggression, das ist Selbstschutz.
Und wenn nun der Hundehalter in genau den gerade beschriebenen Situationen seinen Hund dafür maßregelt, genau dann entsteht Aggression seitens des Hundes. Genauso basteln Sie sich einen aggressiven Hund. Zuerst noch im Ansatz. Aber dann hat der Hundehalter in der Regel die Unart entwickelt, den eigenen Hund für das Wahren seines Individualbereichs und für das Vermeiden von Schmerzen und Verletzungen zu bestrafen. Durch einen Leinenruck, ein NEIN! AUS! PFUI!, ein Anzischen, einen Tritt, das Stechen der Finger in seine Seite. Und das sind noch die harmlosen Varianten einer Fülle von Strafen, die sich Hundehalter ausdenken, bzw. sich durch Gehirnwäsche von Hundetrainern und anderen Hundehaltern einleuchten lassen.
Und jetzt beginnt der eigentliche Teufelskreis: Der Hund wird fehlkonditioniert: Mit jedem Anblick eines anderen Hundes assoziiert der eigene Hund Angst vor Verletzung, Bedrohung oder gar Tötungsabsicht seitens des anderen Hundes plus der nicht minder entsetzlichen Strafe durch den einzigen Sozialpartner, den er in seinem kleinen Leben hat: Seinen Menschen. Also eine doppelte Bedrohung. Er assoziiert Schmerzen beim Anblick des anderen Hundes, die nicht mal dieser sondern der eigene Mensch ihm zugefügt hat. Und wie wird ein Lebewesen, welches Schmerzen hat?
Richtig – zur Bestie. So funktioniert zum Beispiel Stierkampf. Dem Stier ist doch erst mal völlig egal, dass da dieses lustig gekleidete Männchen mit einem Stück Stoff wedelt. Es sind die Schmerzen des ersten Einstichs, die ihn in die Wut und in die Raserei treiben. Wie reagieren die meisten Menschen, die Schmerzen haben? Sie werden wütend.
„Und wie komme ich mit meinem Hund jetzt aus dieser Spirale wieder heraus?“, werden Sie fragen. Es ist so einfach, und es liegt auf der Hand: Nein, nicht indem Sie Ihrem Hund nach TV-Trainer-Manier noch mehr Schmerzen, Bedrohungen und Ängst angedeihen lassen, sondern indem Sie noch mal ganz von vorne anfangen, und genau das machen, was Sie von Anfang an hätten machen sollen: Ihren Hund ernst nehmen, ihm Schutz, Sicherheit, Beistand und Ruhe geben, ihn beruhigen, wenn er aufgeregt oder gestresst ist und ihn sicher und schmerzfrei an Ihrer Seite durchs Leben führen.
Ihr IQ ist höher als der Seine – nutzen Sie ihn.
120.
„Man muss den Hund schon immer noch wie einen Hund behandeln!“,
hört man oft, wenn es um einen liebevollen, achtsamen und respektvollen Umgang mit dem besten Freund des Menschen geht.
Was wollen diese Personen, die solche Texte verwenden, damit eigentlich aussagen?
Warum sollten wir einen Hund denn nicht menschlich behandeln?
Was bedeutet eigentlich „menschlich“?
Menschlich bzw. human bedeutet: Barmherzig, gütig, freundlich, sozial, nett, zuvorkommend, gutherzig, hilfsbereit, mild.
Durchwegs positive, erstrebenswerte Eigenschaften, also genau das, wie ein Mensch sein sollte. Und das was ihn ja letztendlich angeblich vom Tier unterscheiden soll. Somit unterstellen Hundehalter, die die Menschlichkeit dem eigenen Hund vorenthalten wollen, dass der angebliche beste Freund des Menschen so eine Behandlung nicht verdient hätte.
Aber mit welchem Argument?
Ist ein Tier es nicht wert, dass man es barmherzig, gütig, freundlich, sozial, nett, zuvorkommend, gutherzig, hilfsbereit und mild behandelt? Immerhin haben wir es doch zu uns geholt und versuchen doch die ganze Zeit, einen besseren Menschen aus ihm zu machen, nämlich ein Wesen mit Tugenden, also moralisch definierten positiven Eigenschaften wie guten Manieren, Benimm, Gehorsam, Disziplin und dem Bewußtsein über Recht und Unrecht.
Und spätestens da fangen wir doch an, einiges durcheinander zu bringen: Wir erwarten vom Hund menschlichen Eigenschaften, aber Menschlichkeit soll ihm nicht entgegengebracht werden?
Warum?
Weil wir etwas Besseres sind? Weil wir die selbsternannte Krone der Schöpfung sind und uns über alles erhaben fühlen? Weil wir es genießen, stärker zu sein, die Macht über Schwächere zu haben? Eine Antwort auf diese Frage wird es nie geben, denn der Mensch als solches ist und wird immer ein undurchschaubares Wesen sein. Letztendlich auch nur ein Tier, ein Säugetier. Aber leider ein Säugetier, das grausamer ist als jedes andere Tier auf diesem Planeten. Und viele beglückwünschen sich auch noch gegenseitig zu dieser Tatsache.
Doch wir sind nicht fremdbestimmt. Jeder einzelne von uns hat den freien Willen zu bestimmen, dass er sich nicht einreihen will in Unmenschlichkeit Tieren gegenüber.
In diesem Sinne – "vermenschlichen" Sie Ihren Hund, verwöhnen Sie ihn und bieten Sie ihm das schönste Leben. In ca. 15 Jahren ist er sowieso nicht mehr bei Ihnen.
119.
„Bella! Hierher! Sitz! Und bleib!“ blaffte ein Hundehalter in einem der österreichischen Hundehotels in denen ich regelmäßig Kurse abhalte, seine Labbidame an, während er sich im Hotelgarten die Sonne auf die Nase scheinen lies. Und im nächsten Satz sagte er liebevoll zu seinem kleinen Enkel: „Komm Maximilian, setzt sich doch a bisserl her zu mir! Sei so lieb.“
Ist es nicht merkwürdig, dass dieser barsche Militärton dem eigenen Hund gegenüber nicht auszumerzen ist? Fällt es so schwer, das geliebten Haustier, dem angeblich besten Freund des Menschen in dem selben liebevollen Ton anzusprechen wie einen geliebten Menschen? Sind Hunde es nicht wert, dass man sie liebevoll anredet? Gerade wenn man sie angeblich liebt? Gerade wenn man weint, wenn sie mal sterben?
Woher kommt das? Warum ist das in den meisten Hundehaltern so tief verankert? 100 Jahre nach dem 1. Weltkrieg, als der Hund in den Militärdienst mit einbezogen wurde und man daher wie bei den Soldaten Kommandos verwendete? Weil man es in der Hundeschule oder durch Nachahmen anderer Hundehalter abgeschaut hat? Aber mit welchem Anliegen? Machen wir alles nach, was andere vormachen? Ohne zu reflektieren? Trotz unseres hohen IQ?
Warum sprechen so viele Hundehalter mit keinem Mitmenschen und mit keinem anderen Haustier so barsch, so streng, wie mit ihrem Hund? Pferde, Katzen, Vögel, Meerschweinchen...alle werden mit schmeichelnder Stimme gerufen, sonst würden sie nicht kommen. Glauben Sie wirklich, dass Sie mit so einem schnoddrigen Ton für Ihren Hund eine Alternative sind, wenn Sie ihn im Freilauf rufen, und er gerade etwas vorhat, was Sie vielleicht nicht möchten? Wie würden Sie einen geliebten Menschen rufen, wenn Sie etwas von ihm möchten?
In diesem Sinne - Der Ton macht die Musik
118.
„Mein Hund mag keine Kinder“, hört man sehr oft.
Aber woran liegt das eigentlich?
Sie müssen sich vorstellen, dass wir Erwachsene schon unglaublich unklar sind. Unsere gesprochenen Worte und unsere Körpersprache sind häufig völlig konträr. Wir sind unachtsam, unwirsch, oft viel zu schnell und absolut nicht im Hier und Jetzt.
In all dieses Punkten sind Hunde uns um Längen voraus. Wir könnten so viel von ihnen lernen. Wenn wir es wollten. Doch in der Regel spielen Menschen gerne als Lehrer ihrer Hunde auf.
Viele Hundehalter schaffen es nicht mal, ihren Hund so zu streicheln, dass er es als angenehm empfindet. Gerade wenn als Lob gestreichelt wird: Da wird mit dem Finger auf die Nase getippt, der Kopf gewuschelt, der Unterkiefer in die Hand genommen und gezupft, die Flanken geklatscht, und der arme Kerl kommt gar nicht mehr aus dem Beschwichtigen raus, so genervt ist er.
(Schauen Sie sich mal das Foto genau an.)
Hunde haben den ganzen Tag Zeit uns zu studieren und schaffen es tatsächlich mehr oder weniger aus unserem Kauderwelsch halbwegs für sie verständliche Informationen herauszuziehen. Sie analysieren unsere menschliche Körpersprache, unsere gesprochenen Worte, unsere Mimik und unsere Emotionen.
Auch da sind sie uns um Längen voraus. Nicht annähernd können wir ihnen diesbezüglich das Wasser reichen. Die meisten Hundehalter und vor allem so gut wie alle Hundetrainer machen sich leider nicht mal die Mühe, sich mit Hundeverhalten und der Körpersprache der Hunde auf moderner wissenschaftlicher Ebene zu befassen.
Und nun zu Kindern: Kinder sind in ihrer Körpersprache noch sehr unklar, da sie diese im Laufe der Jahre durch Abschauen bei den Eltern nach und nach lernen müssen. Ihre Stimmen sind häufig schrill, ihre Bewegungen abrupt, schnell und tollpatschig, ihre Emotionen überschwänglich in alle Richtungen.
Das wirkt auf viele Hunde sehr bedrohlich, da sie Kinder dadurch grundsätzlich schwer einschätzen können.
Und auf Bedrohung können Hunde mit Aggression reagieren. Aggression kommt immer aus einer Unsicherheit heraus. Der Hund schützt sich und seine Gesundheit, seine körperliche Unversehrtheit. Ein ganz normales Verhalten.
Leben in einem Haushalt Kinder und Hund zusammen, kann ein weiteres Problem hinzukommen: Kinder lieben Tiere und haben das Bedürfnis ihren vierbeinigen Freund, wann immer ihnen danach ist, zu streicheln, zu berühren, zu umarmen, hochzuheben, das weiche Fell zu spüren. Hunde brauchen ca. 20 Stunden Schlaf am Tag. 20 Stunden! Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um 20 Stunden Tiefschlaf, sondern um eine gesunde Mischung aus Tiefschlaf und Ruhen. Möglichst aber nicht in Einsamkeit, sondern unter unserer Obhut.
Kinder können das nicht nachvollziehen, sie wollen ja mit dem Streicheln und dem Umarmen dem Hund und natürlich auch sich etwas Gutes tun.
Liegt aber ein Hund in seinem Körbchen oder auf seinem Schlafplatz und wird immer wieder angegrabscht, ist das für ihn etwas sehr Indiskretes. Er hat ein Recht auf einen Individualbereich, genau wie wir, genau wie jedes andere Lebewesen. Und wird dieser Individualbereich immer wieder überschritten, wird er irgendwann mal sinnbildlich mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: „Frechheit!“ Und eben zuschnappen. Zu recht!
Es die Pflicht der Eltern, den Kindern zu erklären, dass der Hund, wenn er liegt tabu ist, und dass er nur angefasst werden darf, wenn er von sich aus kommt.
Und bitte lassen Sie ihren Hund draußen nicht von Kindern anfassen. Er ist kein öffentliches Spielzeug, kein Allgemeingut, und sein Körper gehört ihm.
117.
Spielzeug
Das Gerücht, dass Hunde nur an Ihr Spielzeug dürfen, wenn der Mensch es erlaubt, hält sich leider auch immer noch.
Da werden von vielen Hundetrainern Ängste geschürt, der Hund würde dominant werden, wenn er sich aus der Spielzeugkiste selbst bedienen dürfte. Er würde sich als Rudelführer sehen, wenn er seine Beute behalten dürfte.
Lieber Leser, es ist das Spielzeug Ihres Hundes. SIE haben es ihm gekauft, und SIE haben es ihm geschenkt. Warum sollte er nicht darüber verfügen dürfen?
Würden Sie es bei einem Kind ebenso machen? Mit Sicherheit nicht.
Woher die panische Angst, dass eines der beliebtesten Haustiere, der „beste Freund des Menschen“ nur darauf lauern würde, die Herrschaft über uns zu übernehmen?
Sollte Ihr Hund seine Ressourcen, also sein Spielzeug verteidigen, dann ist es sein gutes Recht. Es gehört ihm. Geschenkt ist geschenkt – wiederholen ist gestohlen. Wollen Sie sich wirklich als Ressourcenkonkurrent vor Ihrem Hund verkaufen? Was würde er daraus lernen? Dass Sie sein „Chef“ sind oder dass Sie sein Feind sind? Das Verteidigen von Ressourcen, sprich Futter, Spielzeug oder Schlafplatz hat nichts mit Rangordnung oder Hierarchien zu tun, sondern mit der persönlichen Wichtigkeit eben dieser Dinge. Abgesewhen davon: Hund und Mensch bilden kein Rudel, Pferd und Mensch keine Herde und Wellensittich und Mensch keinen Schwarm.
Also kämpfen Sie bitte nicht gegen Ihren Hund, sondern nutzen Sie Ihre Weisheit und Ihren deutlich höheren IQ, indem Sie beispielsweise Ihrem Hund ein Tauschgeschäft anbieten, sollten Sie aus irgendeinem dringlichen Grund an seine Ressourcen heran müssen. Wiener Wurst gegen das Abendessen, ein Stückchen Bergkäse gegen den Kauknochen, ein Stückchen Leberkäse gegen den Lieblingsball. So einfach und unspektakulär ist das.
Bitte lassen Sie Ihren Hund in seiner Spielzeugkiste wühlen, wie auch Sie es als Kind durften und erfreuen Sie sich an dem Anblick und daran, welches Spielzeug wohl heute das favorisierte ist und was er wohl damit anstellen wird.
116.
„Meiner ist ein totaler Balljunkie!“
„Falsch! SIE haben Ihren Hund zum Balljunkie gemacht!“
Was für einen riesen Spaß haben Hundehalter, Ihrem Hund unermüdlich Bällchen und Stöckchen zu werfen. Immer und immer wieder.
Und was für einen riesen Spaß hat der Hund, unermüdlich dem Bällchen und Stöckchen nachzurennen. Immer und immer wieder.
Nie scheint er müde so werden.
„Der hat so einen Kondition, so eine Ausdauer“, sagt der Hundehalter anerkennend und stolz, „der könnte das ohne Ende machen.“
Lieber Leser, ist es wirklich so erstrebenswert, einen Hund darauf hin zu trainieren, im Freilauf sein Glück, seinen Spaß weit in der Ferne zu suchen und sich zu holen? Weit weg von seinem Hundehalter.
Ist es wirklich erstrebenswert, ihm beizubringen, allem was sich von ihm schnell wegbewegt, hinterherzuhetzen und dann reinzubeißen?
Wollen wir wirklich einen Hund der sich genau bei so etwas seinen Kick, seinen Thrill holt, der seinen Adrenalispielgel immer mehr und mehr steigen läßt? Hetzen und Jagen als eine Idee der Auslastung? Ihm zu zeigen, dass er nur auf große Distanz mit uns Spaß haben kann?
Haben Sie schon mal einen Hund beobachtet, der so so kreativ ist, und sich selber seine Stöckchen selber schmeißt? Das kann er mit Begeisterung machen, aber in der Regel macht er das drei, vier mal, und dann ist auch wieder gut.
Aber nein – sein Mensch findet, dass das noch lange nicht genug ist und wirft nun dem Hund noch mal sein Spielzeug. Und noch mal. Und noch mal. Ja Wahnsinn, das scheint ihm ja immer mehr Spaß zu machen! Toll, wie er rennt, wie er nie müde zu werden scheint. Der braucht ja viel mehr Gelegenheiten zum Auspowern! Besser man kauft sich gleich so eine Ballwurfschleuder, dann geht es noch weiter, noch schneller noch höher. Da ist doch der Beweis: Hunde muss man auspowern! Wird einem ja im TV-Hundetraining auch ständig erzählt.
Und genau das Gegenteil passiert: In so einem Fall der Erregung produziert der Körper eines Hundes das Hormon Adrenalin, Cortisol, Serotonin und Dopamin. Und das verleiht Flüüüüüüüüüügel....
Und das braucht sehr lange bis es abgebaut wird. Stellen Sie es sich vor wie ein Partygänger, der Partys nur auf Koks genießen kann. Kokain oder auch Ecstasy hilft dem Körper weit über seine Grenzen hinauszugehen. Man kann eine ganze Nacht durchfeiern, ohne eine Spur von Müdigeit und ist super gut gelaunt. Na, und sollte die Wirkung doch nachlassen, zieht man sich einfach sein nächstes Näschen rein, und ist wieder „supi gut drauf“.
Und so fühlt sich dieser Hormoncocktail für unsere Hunde an. Sie können nicht mehr aufhören, können nicht mehr auf ihre eigenen körperlichen Grenzen hören und rennen und jagen und hetzen und rennen und jagen und hetzen. Aufhören wäre langweilig, also weiter! Wirf noch mehr, Mensch! Und das tun wir, weil es uns und unserem Hund ja ganz offensichtlich große Freude bereitet. Und der ist mittlerweile randvoll mit „Koks“, mit Hundekoks. Und er wird nach mehr verlangen. Und noch mehr. Und am Tag drauf noch mehr. Bloß nicht runterkommen von diesem geilen Trip! Da wird Herrchen nicht unkreativ. Es geht weiter mit dem abendlichen gemeinsamen Joggen, aus dem dann das abendliche Rennradfahren wird, und das Ganze potenziert sich immer mehr hoch.
Je mehr Sie Ihren Hund auspowern, desto mehr Action wird er brauchen. Sie beide geraten in einen Teufelskreis, der kein Ende mehr zu nehmen scheint.
Liebe Leser, ich hatte in all den Jahren bei den Hunden meiner Kunden noch keinen Fall von Unterforderung bei einem Hund, jedoch unendlich viele Fälle von Überforderung. Lassen Sie sich da bitte nicht täuschen. (Bitte bedenken Sie auch immer wieder, dass ein Hund 20 Stunden Schlaf braucht. Aber nicht in Einsamkeit, sondern in ihrer Anwesenheit.)
Sie und Ihr Hund sind weder auf der Flucht, noch auf der Jagd, also hören Sie doch bitte auf, ihm Ihre gemeinsame Freizeit als solche zu verkaufen. Lassen Sie sich von ihm zeigen, wie viel er ohne Sie und ohne Ihre ständige Animation rennen will. Spielen Sie mit ihm Spiele von Angesicht zu Angesicht: Raufen, Zerren, sich gegenseitig im Kreis jagen (das halten SIE nämlich nicht länger als drei Runden durch).
Und sollten Sie einen Adrenalinjunkie haben, dann machen Sie mit ihm einen Entzug. Keiner zwingt Sie, ständig etwas zu werfen. Und Sie werden erstaunt sein, wieviel ruhiger und gelassener Ihr Hund dann werden wird. Und wieviel mehr er plötzlich auf SIE achten wird anstatt auf den Gegenstand, den Sie sonst immer in der Hand hielten. Denn plötzlich werden SIE interessant.
In diesem Sinne - bleiben Sie bei sich.
115.
Hinten gehen So wird es dem Hundehalter geraten: „Der Hund muss hinter Dir gehen, denn DU bist der Rudelführer! Wenn Dein Hund vorne geht, dann denkt er, er sei der Chef.“
Also scheint der Rudelführer immer vorne zu gehen, oder?
Nur blöd, dass es keinen Rudelführer gibt – weder bei Wölfen noch bei Hunden. Das ist seit Mitte der 90er Jahre wissenschaftlich bewiesen und nicht zu widerlegen.
Wer geht denn dann immer vorne?
Na klar: Derjenige der am abenteuerlustigsten ist.
Und wo ist dabei das Problem? Es ist einzig und alleine unser Problem. Ein Problem, welches gar keines ist.
Da wird dann geleinenruckt, gezischt, vor dem Hund aufgestampft, mit einem Stock oder der Leine vor ihm auf den Boden geschlagen, geschimpft und gezetert.
Lassen Sie doch bitte Ihren Hund innerhalb der von Ihnen gewährten Leinenlänge da gehen wo er will. Sie haben es in der Hand. Ist die Leine einen Meter lang, dann ist das sein Bereich: Ein Meter rechts, ein Meter nach links, ein Meter vorne, ein Meter hinten. Macht plus Ihrer Armlänge ca. 1,80 Meter in alle Richtungen. Sein Bereich. Sein Spaziergang. Seine circa vier Meter im Durchmesser. Sie können nicht erwarten, dass der Hund die von Ihnen gewährte Leinenlänge NICHT ausnützt. Kein Tier würde den Bereich, den wir ihm zur Verfügung stellen nicht nutzen.
Auch ich ging früher davon aus, dass es besser ist, wenn wir Hundehalter vorne gehen. Aber nicht aus Dominanzgründen, solche Ideen hatte ich gottseidank nie, sondern weil ich davon ausging, dass wir sozusagen den Weg „ebnen“, den Kopf bei Gefahren für den Hund hinhalten, die Verantwortung übernehmen.
Aber dann kam ich zu dem Schluß, dass es wesentlich einfacher für alle Beteiligten ist, den Hund die Leinenlänge ausnutzen zu lassen. Und die wirklich bis zum Ende des Armes. Wir haben die Leine in der Hand, und natürlich wird er diese nutzen – warum auch nicht? Es ist SEIN Spaziergang. Sein Freiraum, sein Auslauf. Seine Leinenlänge.
Meine Schäferhündin Bianca geht immer an der durchhängenden Leine neben mir, meine vier früheren Chihuahuamädels waren lieber hinter mir. Die Chihuahuas, die ich jetzt habe nur zum Teil. Und andere Hunde gehen lieber vorne.
Warum?
Weil sie es so möchten, weil sie sich so am wohlsten fühlen.
„Aber meiner zieht immer so!“ Dass Ihr Hund nicht zieht, sondern sich Ihrem Tempo anpasst steht und fällt mit Ihrem eigenen Tempo, mit Ihrer Hektik. Das erfordert innere Ruhe und Gelassenheit und geht nicht von heute auf morgen.
Lassen Sie Ihren Hund ziehen - aber lassen Sie sich nicht ziehen.
Dies erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Selbstkontrolle und Konzentration - Ihrerseits.
114.
„Ich hab ihn nie gestraft, aber das Scharren
nach dem Markieren habe ich immer unterbunden, denn das ist ja dominant, und meine Trainerin hat gesagt, ich solle ihn schleunigst von seinem Thron herunterholen.“
So sprach es unlängst eine Kundin, die mit einem jungen Dackel zu mir kam.
Lieber Leser, abgesehen davon, dass es keine dominanten Hunde gibt, zumal es ja weder Hierarchien noch Rangordnungen bei Hunden gibt (ist seit den 90er Jahren wissenschaftlich nachgewiesen und in jeder modernen kynologischen Literatur nachzulesen), bedeutet das Scharren lediglich, dass es Ihrem Hund gerade besonders wichtig erscheint, dass seine Markierung von jedem gelesen und nicht übersehen wird. Er möchte lediglich, dass auch der Dümmste sozusagen mit der Nase darauf stößt.
Auch das Markieren selber hat nichts mit Dominanz zu tun, es ist schlicht und ergreifend eine von vier Möglichkeiten (Geruch, Akkustik, Körpersprache, Berührung) der Hunde, miteinander zu kommunizieren. Völlig normales Hundeverhalten und KEIN Fehlverhalten. Alle Hunde markieren. Dann wären ja alle Hunde dominant.
Daher bitte ich Sie zu bedenken: Wenn Sie mit Ihrem Hund spazieren gehen, dann ist es SEIN Spaziergang, seine Auslastung und seine Nasen- bzw. Kopfarbeit. Daher lassen Sie ihn bitte zu Ende schnüffeln, in Ruhe darüber zu markieren und wenn er möchte, auch scharren. Gerade kleine Hunderassen scharren, weil das bißchen Pipi oft zu gering ist als dass es vor allem größere Hunde entdecken könnten. Loben Sie ihn dafür, sagen Sie ihm, was für ein toller, stolzer Kerl ist. Wir sollten das Selbstbewußtsein und das Selbstwertgefühl unserer Hunde heben, anstatt es zu drosseln. Oder würden Sie das Strichmännchenbild eines Kindes abwerten? Wohl kaum. Jede gute Mutter lobt ihr Kind für so ein Gekrakel, und gibt ihm das Gefühl, etwas Tolles geschaffen zu haben.
113.
Wie definiert man Gewalt?
Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg’ auch keinem and’ren zu.
So lernte ich es (Jahrgang 1967) schon als Kind. Und das bedarf keiner Erklärung, das verstand einst selbst ein kleines Kind wie ich. Respekt vor Tieren war für mich immer eine Selbstverständlichkeit.
Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört.
Gewalt ist die Sprache der Schwachen.
Das sind die Definitionen der Intellektuelleren für die Menschen, die wissen was Empathie ist.
Gerade im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem besten Freund des Menschen scheiden sich aber plötzlich wieder die (Definitions-) Geister. Im Anbetracht dessen, dass dieser benannte beste Freund vier Beine hat und zu einer anderen Spezies (Caniden/ kennen keine Hierarchien) als wir Menschen (Primaten/ in Hierarchien lebend) gehört, erklären viele diese Regel als ungültig – mit den abstrusesten Begründungen. Zum einen denken wirklich immer noch Hundehalter, dass Hunde andere Gefühle als Menschen hätten, was jedoch längst wissenschaftlich widerlegt wurde. Trauer, Freude, Liebe, Freundschaft, Eifersucht, Fürsorge, Wur, Angst, aber auch Empathie. So gut wie alle Tiere haben die gleichen Emotionen wie Menschen, und alle empfinden Schmerzen. Körperliche wie auch psychische. Und gerade bei den psychischen Schmerzen hört man oft als Argument: „Ein Hund ist schließlich nur ein Hund.“ Hakt man nach, wird eine sachliche Diskussion oft unmöglich. Doch stellt sich dann die Frage, warum man Hunden so gerne psychisch bestraft, wenn sie diese Form von Strafen angeblich nicht empfinden.
Körperliche Züchtigungen sind nach wie vor sehr beliebt, wird es doch im TV immer wieder vorgemacht. Wo der Bauer, der dem Hund früher mal kurzerhand die Leine übergezogen hatte und dadurch in der Nachbarschaft für Empörung gesorgt hatte, so wird heute nach amerikanischem Vorbild gewürgt, getreten, geschlagen, mit Stachel- und Stromhalsband gequält, da hier schnellere Erfolge eintreten als mit positiver Verstärkung. Schnellere Erfolge JA. Aber Erfolge mit Folgen: Ein gebrochener Hund, der weiß, das jegliches eigenständiges Handeln bestraft wird.
Und auch das psychischen Strafen für die etwas empfindlicheren (Menschen-) Seelen gilt immer wieder als angebliches gewaltfreies Allheilmittel. Auch wenn es nicht klappt – es wird immer und immer wieder praktiziert. Da wird erschreckt durch Wurfketten, Rappelboxen, Discs, Wassersprühflaschen, Sprühhalsbänder, Vibrationshalsbänder, und nicht zu vergessen das bedrohliche Anzischen und Aufstampfen. Die Hunde reagieren natürlich, und somit scheint diese Form der Maßregelung vielen gerechtfertigt. Doch wie geht es den erschreckten und bedrohten Hunden in so einem Moment? Lernen Sie daraus? Ja, nämlich, dass Sie - ihr einziger Sozialpartner in ihrem kurzen Hundeleben - unberechenbar sind und aus heiterem Himmel strafen. Er zeigt ergo ein Meideverhalten.
Stellen Sie sich vor, wir zwei würde zusammen spazieren gehen, und ich würde immer mal wieder aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung BUH! machen – mitten in Ihr Gesicht. Sie würden kurz erschrecken, vielleicht sogar lachen, doch ich würde es immer und immer wieder tun. Anfangs würden Sie immer noch erschrecken, später vielleicht nicht mehr so sehr – aber der Spaziergang hätte für sie keine Qualität mehr, Sie wären angespannt, weil Sie nicht wüssten, wann mein nächstes BUH! kommen würde. Sie könnten sich auf gar nichts mehr konzentrieren, gar nichts mehr genießen, weil Sie total angespannt wären. Und dann würde ich Sie fragen, ob Ihnen aufgefallen ist, warum ich das gemacht habe. Und Sie wären ratlos, denn ich habe es immer gemacht, wenn Sie beispielsweise zu intensiv nach rechts geschaut hätten. Nur so als Beispiel. Genau so ginge es Ihrem Hund. Das was wir für bestrafungswürdig halten, zum Beispiel das Überholen an der Leine, das Schnüffeln, das Markieren, das Bellen...alles Dinge, die für unsere Hunde belanglos und normal sind, die zum Hundedasein gehören, die zum normalen Hundeverhaltensrepertoire gehören, genau die halten wir in unserer Menschenwelt für falsch, für „Fehlverhalten“. Unsere Interpretation von Fehlverhalten ist aber für einen Hund normales Hundeverhalten. Und so wird er von uns Menschen ständig für sein Hund sein, ja für sein perfektes und richtiges Verhalten in seiner Welt ständig bestraft, erschreckt, gemaßregelt und bekommt dazu unsere schlechte Laune ab. Wir streben tagtäglich danach, ihn zu einem perfekten Menschen zu machen, der wir ja selber nicht sind, und niemals sein werden. Wie würde es uns gehen, würde unser Partner von früh bis spät an uns rumkritisieren, immer alles besser wissen, alles was wir machen maßregeln würde? Wie würde sich das auf unsere Lebensqualität auswirken?
Liebe Leser, bitte streben Sie nie an, Ihren Hund zum funktionierenden, angeblich so „gut erzogenen“ Hund zu machen. Das geht nicht. Ein Hund kann kein perfekter Mensch werden. Zumal es keinen perfekten Menschen gibt. Und SIE sind mit Sicherheit kein perfekter Mensch, oder? Fragen Sie doch mal Ihr soziales Umfeld, da werden Sie sicher Antworten zu hören bekommen, die Ihnen vielleicht gar nicht so gut gefallen.
Seien SIE Ihrem Hunde ein gutes Vorbild, zeigen Sie ihm, was Sie für ein Verhalten SIE von ihm wünschen, anstatt ihn ständig zu strafen, zu maßregeln für etwas, was er nicht versteht, bzw. sowieso fehlinterpretieren würde.
Loben und bestätigen Sie ihn für das, was Sie toll an ihm finden, und bieten Sie ihm zu jedem angeblichen Fehlverhalten ein Alternativverhalten an, welches Sie dann feiern. Das ist für ihn wesentlich schlüssiger, verständlicher und effektiver als dieses ewige Genörgle.
Ich garantiere Ihnen, dass das wirklich das Einfachste der Welt ist. Dazu brauchen Sie kein ständiges Training, keine Wiederholungen und kein Üben. Machen Sie es einfach, und Sie werden sehen, wie sich Probleme in Luft auflösen, und Ihre Bindung und Freundschaft täglich wachsen wird, und Ihr Hund Ihnen immer mehr vertrauen wird. Und Ihnen selber tut dies auch gut.
Und denken Sie immer daran: Man bekommt nichts geschenkt im Leben, außer der Liebe Ihres Hundes. Nur das Vertrauen – das müssen Sie sich täglich aufs Neue erarbeiten.
112.
Ein Hund wird zu Tode stranguliert.
Nein, nicht von einem Hundehasser und auch nicht von einem geistesgestörten Psychopathen. Im Gegenteil – von einem Hundetrainer, der 5 km von mir entfernt im malerischen, oberbayrischen Wolfratshausen wohnt.
Ein Hundetrainer, der sich dem rein straforientierten Hundetraining verschrieben hat. Ein Hundetrainer, auf dessen Webseite er seine Liebe zum Hund, seine Feinfühligkeit und seine Empathie immer wieder betont. Doch wenn man zwischen den Zeilen liest, dann wird einem schnell klar, wie er die Liebe zwischen Mensch und Hund definiert. Da ist immer wieder die Rede von der seit 40 Jahren wissenschaftlich widerlegten Rudel- und Rangordnungstheorie. Wie ein Ertrinkender sich an einen Stohhalm klammert, so sind diese Ammenmärchen für viele scheinbar die einzig denkbare Möglichkeit mit einem Hund in Frieden und Harmonie zu leben. Dabei ist es so einfach, so unglaublich leicht. Der Weg dazu liegt im Prinzip in unserem Verstand und in unseren Herzen.
Was bringt Menschen dazu, ein Tier mit Lust und Wonne zu quälen, zu unterwerfen, es sich untertan machen zu wollen, und dann gerade das einzige Tier, welches uns Menschen wirklich liebt? Bedingungslos.
Wie kann es sein, dass wir Hundetrainer vor den Veterinärämtern eine Sachkundeprüfung ablegen müssen, in der es einzig und allein darum geht, dass wir eben NICHT tierschutzwidrig arbeiten? Und dann ermordet ein Hundetrainer den Hund einer Kundin, würgt ihn zu Tode, läßt ihn mit Würgeschlingen um den Hals und um die Schnauze in der Luft baumeln, obwohl dieses gefesselte und geknebelte Tier im Todeskampf schreit und unter sich Kot und Urin absetzt. Zuvor hatte der Hundetrainer den Hund mit dem Fuss in die Seite gekickt, worauf der Hund sich natürlich wehrte.
In vielen Ländern werden die Windhunde, die sich im Rennen nicht bewährt haben genau so zu Tode gefoltert: Aufgeknüpft. Jeder tierliebe Mensch ist zutiefst erschüttert, unterschreibt Petitionen, setzt sich dafür ein, dass dieses Elend ein Ende hat. Handhabt es ein Hundetrainer, dessen Vorbild Tag für Tag im TV (vor allem in den nur in Amerika ausgestrahlten Folgen) mit genau solchen Praktiken arbeitet, und diese dann "zufällig" mit dem Ableben des Hundes enden, dann erhält er eine Geldstrafe (Spende an die Caritas) und darf weiterhin seinen Beruf ausüben, weil sonst seine Existenz gefährdet wäre. Urteil des Richters. Akte geschlossen.
Warum finden wir Menschen gut, die Hunde foltern? Warum werden diese bejubelt? So wie die Torreros in Spanien, auch die haben Fans genau wie Popstars. Sie werden für ihre unglaubliche Brutalität bejubelt. Was ist los mit den Menschen? Warum hat sich in all den Jahrzehnten, Jahrhunderten, Jahrtausenden angeblicher Zivilation nichts geändert? Warum will die Menschheit Blut sehen?
Einen aggressiven Hund mit Aggression „heilen“ zu wollen, kann nicht funktionieren. Wie regen sich die Leute auf, wenn mal wieder ein Video im Netz auftaucht, in dem gezeigt wird wie Zirkustiere gebrochen werden, wie Elefantenbabys in ihrer Ausbildung zum Reitelefanten gebrochen werden, damit sie sich nie wieder dem Menschen widersetzen. Erlernte Hilflosigkeit nennt man das in der Psychologie. Handhabt man dies gegen einen aggressiv gemachten (von Natur aus sind Hunde alles andere als aggressiv) Hund und bricht ihn somit, könnte das sicherlich eine Zeit lang gut gehen. Aber man wird ihm immer wieder zeigen müssen, dass man jederzeit gewillt ist, ihn weiter zu foltern, zu unterdrücken, zu bedrohen, ihm Schmerzen zuzufügen. Menschliche Gewaltherrschaft einem schwächeren Wesen gegenüber. Und dennoch kann eines Tages der Schuß nach hinten losgehen, und das Tier wird sich rächen, weil es darin seine letzte Chance sieht, endlich in Frieden zu leben. Siehe der aktuelle Fall von Chicco.
Wer einmal Bilder vom Yulin Dog Meat Festival gesehen hat, dem werden diese nie wieder aus dem Kopf gehen. Da werden in China Hunde bewußt zu Tode gefoltert, damit ihr Fleisch wegen des Streßhormons Adrenalin besser schmeckt. Ist das Foltern von Hunden denn weniger gerechtfertigt, weil man sie danach verspeist, als wenn man sie für ihren Ungehorsam bestraft? Beides wird mit vollem Kalkül praktiziert. Für den einen endet es mit dem Tod, für den anderen mit lebenslanger Todesangst. Kann man hier wirklich werten, wer es besser getroffen hat?
Woher nehmen wir uns das Recht, Tiere so zu behandeln? Wir sind selber nichts anders als Tiere, nennen uns aber selber die Krone der Schöpfung. Was zeichnet uns denn aus? Was macht uns besser? Dass wir noch grausamer sind, noch brutaler sind als jede andere Tier?
Ich habe keine Wut auf die 74-jährige Dame, die wegen ihres aggressiven Schäferhundes diesen Hundetrainer aufsuchte, ich habe nicht mal richtig Hass auf diese arme Seele von Hundetrainer, weil ich mich frage, was dieser Mensch in seinem Leben erlebt haben muss, dass nur noch Gewalt für ihn eine Lösung ist. Nein, ich habe Wut auf die Menschen, die alle JA zur Gewalt sagen. Wut? Oder ist es Verzweiflung? Und ich habe den Eindruck, dass dies das gerade in der heutigen Zeit erschreckend zunimmt. Nicht nur Hunden gegenüber, nein, auch untereinander, von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Tier. Unabhängig von unsere Nationalität, Religion, Geschlecht oder Hautfarbe. Es gibt kein Argument, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Krieg gegen Terror - Terror gegen Krieg - Hass gegen Hass. Und überall, in allen Medien wird es vorgemacht, geschürt, so lange, bis die Menschen sich Gewalt einleuchten lassen und ebenfalls JA dazu sagen.
Wie kann man zusehen, wie im Fernsehen Hunde gequält, gedemütigt, erniedrigt und bedroht werden und dabei anerkennend nicken und den Zuchtmeister dafür bewundern? Was für eine besondern Fähigkeit soll dieser Mann innehaben, dass er dafür Bewunderung erfährt? Ist es eine Kunst Tiere zu quälen, ihnen Angst zu machen? War nicht einst als wir noch Kindern waren unser Grundbedürfnis, Tiere zu lieben, zu schützen, zu herzen? Wann ist dieses Anliegen verloren gegangen? Wer hat es uns aberzogen, was ist mit uns passiert, dass wir den Terminus Empathie nicht mehr definieren können?
Ein aggressiver Hund hat in seinem Leben bereits Aggresion und Gewalt seitens des Menschen erlebt, was ihn zu dem werden lies, was er aktuell darstellt. Wie absurd zu denken, noch mehr Gewalt würde seinen augenblicklichen Zustand in etwas Positives verändern. Wird ein vergewaltigtes Kind durch noch mehr Vergewaltigungen seines Therapeuten seine Traumata vergessen und ein glückliches erfülltes Leben führen?
Ein gewalttätiger Mensch ist auch nicht so geboren worden. Ein Mensch, dessen Eltern ihn von Anfang an mit Liebe, Verständnis, Fürsorge, Hingabe, Beistand, Schutz, Anerkennung, Wertschätzung, Streicheleinheiten aufgezogen haben wird mit Sicherheit nicht ins kriminelle Millieu abrutschen. Und ebenso ist es mit unseren Hunde. Von zuviel Liebe, Hingabe, Streicheleinheiten, Verständnis, Fürsorge und Empathie ist noch kein Hund verhaltensauffällig geworden.
Liebe Leser, liebe Hundefreunde, bitte halten Sie die Augen offen für all das Elend, welches Schwächeren angetan wird. Letztendlich können wir es an unseren eigenen Hunden zumindest ein wenig besser machen. Es bleiben uns ja immer nur wenige gemeinsame Jahre. Werden Sie ein Mensch voller Liebe und Verständnis zu Ihrem Hund und all Ihren Mitgeschöpfen.
111.
"Hunde sind untereinander ja auch nicht gerade zimperlich..."
So wird Gewalt am Hund gerne gerechtfertigt.
Schauen wir uns das Ganze mal genauer an. Wann haben zwei Hunde Probleme miteinander und gehen demzufolge nicht gerade zimperlich miteinander um?
1. Individualdistanz
Ein Hund zeigt dem Kollegen auf, dass er ihm zu nahe ist. Verständlich, wir mögen es auch nicht, wenn uns fremde Menschen zu nahe kommen. Selbst bei vertrauten Menschen ist ein gewisser Abstand machmal angenehmer. Die berühmte Armlänge fühlt sich für Viele am Besten an.
So, ist nun wirklich unser Problem mit unserem Hund, dass er uns zu nahe kommt? Mit Sicherheit nicht. Unser Problem ist doch eher, dass er nicht nahe genug kommt, stimmt's?
2. Ressourcen. Sprich Futter, Spielzeug, Partner
Hunde verteidigen ihre Ressourcen. Wir im Übrigen auch. Jeder.
Ressourcen sind wichtig, vor allem Futter. Das ist überlebenswichtig. Was also tun, wenn ich an das Futter oder eine andere Ressource meines Hunde will? Na klar, ich biete ein adäquates Tauschobjekt. Macht für beide Seiten Sinn und gibt ein gutes Gefühl. Muss ich das Futter meines Hund wegnehmen, seine Beute, seine Fundstücke, sein wasweißichwas, dann biete ich ihm als Entschädigung zum Beispiel ein Stückchen Käse. Hund denkt: "Prima Sache! Wenn mir was von meinem Menschen weggenommen wird, bekomme ich eine Entschädigung, also hab ich in Zukunft kein Problem mehr damit."
Was bleibt nun noch übrig an "nicht gerade zimperlich untereinander"?
Niemals wird sich das "nicht gerade zimperlich" auf Ungehorsam beziehen. Ungehorsam gibt es in der Tierwelt nicht.
Bitte bedenken Sie immer wieder: Wir leben mit einem Wesen zusammen, welches uns mehr liebt als uns je ein Mensch auch nur annähernd lieben wird, und welches eine völlig andere Sprache spricht als wir. Sollte es wirklich unser Ansinnen sein, zu überlegen, wie wir dieses Wesen strafen oder ihm ein unangenehmes Gefühl verschaffen können?
C110.
Ab 25° C Außentemperatur trifft man immer wieder auf ein erstaunliches Naturphänomen: Die Radfahrer mit Hund.
Das ganze Jahr über verstecken sie sich, aber exakt ab Hochsommerbeginn kriechen sie aus ihren Löchern. Luftig bekleidete Menschen, die sich genießerisch beim Radeln den frischen Fahrtwind um die Nase wehen lassen. Denn beim zu Fuß gehen kommt man bei den Temperaturen einfach zu leicht ins Schwitzen. Das Ganze mit einem in den Regel angeleinten, im Galopp nebenher hechelnden Hund, dem die Zunge bis zum Asphalt raushängt. Bevorzugt am Halsband.
Was geht in diesen Menschen vor? Haben ihrer Ansicht nach Hunde ein anderes Temperaturempfinden? Sind das die Menschen, die ihren Hund auch im Sommer im Auto auf dem Parkplatz braten lassen? Ist das in ihren Augen Auslastung, das berühmte Auspowern um jeden Preis? Erspart das lästiges den-Hund-noch-schnell-Bewegen? Die zeitliche Länge der "Gassi-Runde" durch entsprechendes Tempo einfach verkürzen?
Grundsätzlich powert man bitte einen Hund schon mal nicht aus. Einen Hund lastet man aus. Nur weil wir 10 Stunden täglich im Büro sitzen, was wider der menschlichen Natur ist, und wir dies durch feierabendliches Streßjoggen oder auf-dem-Laufband-rennen kompensieren, müssen wir diese Burn-Out-Vorbereitung doch nicht auf unseren Hund übertragen.
Ein Hund braucht 18-20 Stunden Schlaf am Tag. Möglichst nicht in Einsamkeit, denn dies ist kein erholsamer Schlaf. Und was tun dann Hunde in Freiheit, also Straßenhunde, verwilderte Hunde? Sie ziehen gemächlich von Müllhalde zu Müllhalde und rennen nicht im Hetzgalopp durch die Wälder. Und erst recht nicht bei Hitze sondern dann, wenn es abgekühlt ist. Man sieht überhaupt selten Tiere freiwillig länger als ein paar Minuten rennen, seien es wilde Tiere oder domestizierte Tiere.
Wenn Sie das Bedürfnis haben, ihren Hund bei hochsommerlichen Temperaturen "auspowern" zu müssen, dann rennen Sie bitte selber erst mal eine halbe Stunde durch die pralle Sonne. Aber mit warmer Jacke, ja?
"Ausgepowert" muss kein Hund werden. Auslasten hat nie etwas mit km/h zu tun, sondern mit Erleben, Sinne in Ruhe einsetzen, Gemeinschaft, Natur fühlen, Hund sein und Seele baumeln lassen zu tun. Alles andere ist kontraproduktiv und bewirkt durch die Produktion des Hormons Adrenalin, Cortisol und Dopamin, dass der Hund immer mehr und mehr braucht und immer hibbeliger anstatt ruhiger und ausgeglichener wird.
109.
Emotionen
Sind Gefühlszustände, die durch ein Ereignis ausgelöst werden, und die nicht willentlich hervorgerufen werden können, gesteuert oder unterdrückt werden können.
Wir unterscheiden:
- positive Emotionen wie beispielsweise Freude, Glück, Liebe, Stolz und Zufriedenheit.
- negative Emotionen wie zum Beispiel Hass, Angst, Wut, Furcht, Neid, Zorn, Trauer, Leid, Unsicherheit
Emotionen kann man nicht anerziehen und auch nicht aberziehen, weder belohnen noch bestrafen. Sie sind mutmaßlich genetisch fixiert und bildeten sich durch Erlebnisse. Und sie sind sozusagen der Bote für entsprechende Handlungen, die von der augenblicklichen Gemütslage her ausgelöst werden.
Positive Emotionen werden wie der Name schon sagt, als etwas Positives empfunden. Jeder von uns ist gerne froh, ist gerne glücklich, ist gerne verliebt und gerne stolz. Es geht uns in solchen Momenten sehr gut. Glückshormone wie Serotonin, Endorpine, Dopamin oder Oxytozin werden vom Körper gebildet und wirken wie Drogen. Wer genießt so einen Zustand nicht gerne? Am liebsten doch immer. Wären wir alle immer glücklich, gäbe es keine negativen Emotionen. Und so geht es nicht nur uns, sondern natürlich auch unseren vierbeinigen Freunden. Auch sie können die gleichen Emotionen spüren. Glück kann man nicht belohnen, aber man kann es durch noch mehr Glücksmomente verstärken. Und man könnte es augenblicklich löschen, wenn ein negatives Ereignis dieses Glücksgefühl plötzlich überschatten würde.
Und nun zu den negativen Emotionen: Das Streßhormon Cortisol wird von der Nebennierenrinde produziert und führt uns und auch unsere Hunde in einen unangenehmen Zustand. Der Körper macht sich bereit für die berühmten 4 Fs: Flee, Fight, Freeze und Fiddle About. Auf Deutsch: Flucht, Angriff, Erstarren oder Herumhibbeln.
Und jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten einen Wutanfall. Eventuell hatten Sie einen extrem stressigen Tag. Im Briefkasten befinden sich -zig Rechnungen, unschöne Ereignisse häufen sich, und dann stehen Sie auch noch im Stau und verpassen einen wichtigen, alles entscheidenden beruflichen Termin. Ich wette, sie explodieren gerade hinter dem Steuer und fluchen was das Zeug hält. Sie können nichts dagegen machen. Und jetzt schreit und schimpft Sie auch noch Ihr Partner auf dem Beifahrersitz, der ebenso gestreßt und nervlich am Ende durch diese Ereignisse ist und sagt, sie sollen sich gefälligst nicht so anstellen. Was passiert in dem Moment mit Ihren negativen Emotionen? Werden sie stärker oder weniger? Natürlich werden Sie stärker, denn Ihr Partner hat gerade mit seinem Gemecker das Fass zum überlaufen gebracht und mit seinem Unverständnis ob Ihrer Situation Sie noch wütender gemacht. Ihre negativen Emotionen wurden durch Ihren Partner deutlich verstärkt.
Und jetzt stellen Sie sich bitte die gleiche Situation vor, und Ihr Partner beruhigt Sie, klärt während der Fahrt telefonisch, dass der berufliche Termin ausgefallen ist, weil alle Beteiligten ebenfalls im Stau stehen, findet heraus, dass die Rechungen ein Versehen waren, und jetzt hören Sie auch noch im Radio, dass Sie gerade 4 Richtige im Lotto haben. Was passiert jetzt mit Ihren negativen Emotionen? Richtig – weg sind Sie. Wie weggeblasen. Sie könnten jubeln vor Glück, freuen sich auf alles was jetzt noch kommt, denn die Freude überwiegt so sehr, dass Sie heute nichts mehr aus der Ruhe bringen kann. Fühlen Sie sich bestätigt, dass Sie vorhin noch so wütend waren? Fühlen Sie sich in ihrer Wut bestätigt? Werden Sie in Zukunft noch wütender werden als zuvor? Mit Sicherheit nicht.
Entschuldigen Sie den langen Text, aber ich muss noch ein Beispiel bringen, vor allem an die weiblichen Leser: Sie liegen mit Ihrem Partner, den sie über alles lieben nebeneinander im Bett und lesen noch ein wenig vor dem Einschlafen und plötzlich huscht eine riesige, fette Spinne genau vor Ihren Augen die Wand hoch. Natürlich kreischen Sie wie am Spieß, und um das zu toppen, gibt Ihnen Ihr Partner auch noch eine Ohrfeige und sagt: „Stell Dich nicht so an!“ Wird Ihre Angst, Ihre Furcht, Ihre Panik dadurch besser? Sind Sie in Zukunft gefasster, wenn wieder eine Spinne kommt? Wohl kaum.
Aber wie würde es Ihnen gehen, wenn Ihr Partner aufspingen würde, die Spinne mit einem Glas einfangen würde, sofort raussetzen würde, dann zu Ihnen kommen würde, Sie in die Arme nehmen und trösten würde und Ihnen dann noch einen langersehnten Heiratsantrag machen würde? Würde das Ihre Spinnenphobie verstärken? Natürlich nicht. Würden Sie sich auf das nächste Spinnen-Tete-a-Tete freuen, weil Sie weitere tolle Dinge erwarten? Natürlich auch nicht.
Aber Sie wüßten in Zukunft, dass Ihr Retter an Ihrer Seite ist, sie beschützt, ernst nimmt, für Ihre Unversehrtheit sorgt und immer für Sie da ist. Wer wünscht sich nicht so einen Helden?
Fazit: Sie können Emotionen weder belohnen noch bestrafen und erst recht nicht aberziehen. Weder bei einem Menschen noch bei einem Tier. Emotionen können nicht vorgespielt werden – weder von einem Menschen (außer einem ausgebildeten Schauspieler), noch von einem Tier. Positive Emotionen können durch weitere positive Ereignisse verstärkt werden. Negative Emotionen können nur durch noch mehr negative Ereignisse verstärkt werden, hingegen durch positive Ereignisse gelöscht werden.
Eigentlich ist das doch ganz einfach und logisch, nicht wahr?
Daher: Spielen Sie für Ihnen Hund die gute Fee. Strafen Sie ihn nicht für seine negativen Emotionen. Er hat Emotionen genau wie Sie, lieber Leser. Verwandeln Sie seine negativen Emotionen in positive Emotionen. Seien Sie empathisch. Versuchen Sie zu spüren, wie es Ihnen in so einem Moment gehen würde. Sie können den Streß, die Angst, die Wut, die Aggression Ihres Hundes nicht durch Strafe löschen, aber durch Ihre Ruhe, Ihre Souveränität, Ihre Freundlichkeit, Ihre liebevollen Worte, Ihr Verständnis, Ihre Berührungen und ebenso ein Leckerchen im rechten Moment löschen.
Und noch einmal zum Schluß: Nein, Sie belohnen Ihren Hund dadurch nicht für seine Emotionen. Und sein augenblickliches Verhalten ist nur die Folge seiner augenblicklichen Gemütslage, und auch die können Sie nicht belohnen.
Wenn Sie das schaffen, werden Sie erstaunt sein, wie sehr Ihr Hund sich verändern wird.
In diesem Sinne – Seien Sie weise und ein guter Sozialpartner für Ihren Hund
108.
Oft klappt bei vielen Hundehaltern in manchen Situationen der Rückruf
nicht.
Es spielen viele Faktoren eine Rolle, ob Ihr Hund freundig zu Ihnen kommt oder eben nicht. Dies habe ich ja in meinen Texten immer wieder erwähnt. Auch über unsere Unklarheit habe ich geschreiben und über so ein Beispiel möchte ich heute eingehen: Unklarheit beim Rückruf:
Ein Hund rennt im Freilauf voraus. Dem Hundehalter wird mulmig, er beschleunigt sein Tempo und ruft im Gehen seinen Hund zurück. Der Hund reagiert nicht und galoppiert im gleichen Tempo weiter munter voraus.
Hätten Sie’s gedacht? Er spiegelt Sie und Ihr Verhalten in diesem Moment. Solange Sie in die ursprüngliche Richtung gehen, solange denkt Ihr Hund, dass soweit alles ok ist, und Ihre Richtung und Ihr Tempo der momentane Maßstab sind. So erkennt er oft nicht den Sinn Ihre Rückrufes. „Was hat sie denn, es passt doch soweit alles", scheint der Hund zu denken.
Nicht nur Ihr gesprochenes Wort ist für Ihren Hund relevant, sondern auch Ihre Körpersprache. Daher bleiben Sie bitte stehen, wenn Sie Ihren Hund im Freilauf zu sich rufen möchten. Immer. So machen Sie eine deutliche Zäsur in den Spaziergang und werden für den Hund interessanter. Und wenn Sie ihn dann rufen hat er einen erkennbaren Fixpunkt auf den er zusteuern kann. Und Sie ein bessere Möglichkeit, ihn beim angerannt kommen noch mehr zu motivieren und SIE als Ziel zu nehmen. Spornen Sie ihn an wie die Zuschauer einen Sportler, der gleich in die Zielgerade einläuft. Sie werden sehen, dass Ihr Hund dann richtig Spaß dabei hat, gerufen zu werden. Ein kleines Leckerchen als Dankeschön, wenn er dann bei Ihnen ist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Er hat es für SIE getan. Freiwillig.
Eine befreundete Hundehalterin stieg aus ihrem Auto aus. Ihr einjähriger, kleiner Hund war nicht angeschirrt, sprang schneller aus dem Auto heraus, als sie reagieren konnte und sprintete mitten in der fremden Ortschaft los. Die Dame eilte sofort im gleichen Tempo panisch rufend hinterher, direkt auf die Hauptstraße zu. Der kleine flinke Rüde, der sich normalerweise super herrufen läßt, steigerte sein Tempo. Er spiegelte sie. Durch ihre panische Stimme wurde ihm suggeriert, dass bei seinem Menschen Gefahr droht– also nichts wie weg von dem herannahenden Schrecken! Ich rief ihr zu, sie möge stehen bleiben. Als sie es tat, hockte ich mich auf den Boden und rief den kleinen Kerl super fröhlich, und sofort kam er begeistert zu mir gerannt. Während er mir das Leckerli aus den Fingern zupfte, konnte ich ihn mit der freien Hand hochheben, und schon war er außer Gefahr.
Daher bitte, liebe Hundehalter: Egal wie dringend Ihr Rückruf ist, und selbst wenn Ihr Hund gerade auf die Landstraße rennt – BLEIBEN SIE STEHEN! Sollte er dann immer noch nicht kommen, rennen sie in genau die entgegengesetze Richtung und rufen Sie bitte fröhlich und motivierend. Ein Schritt in die Richtung des Hundes zusammen mit gestressem, panischen oder gar bösem Rufen kann im schlimmsten Fall tödlich enden.
In diesem Sinne – disziplinieren Sie sich. Das Herrrufen Ihres Hunde steht und fällt mit Ihrem Verhalten.
107.
Hunde lieben uns abgöttisch. Das ist die Folge von 15.000 Jahre Domestizierung. Hunde brauchen ihren Menschen dringender als einen Artgenossen. Dies ist bei keinem anderen Haustieren so. Hunde brauchen für eine artgerechte Haltung keinen zweiten Hund, sondern einen Menschen, der im besten Fall immer für sie da ist. (Sonst wäre ja das Thema 8 Stunden und mehr Alleinsein ganz einfach: Zweithund dazu - Hund glücklich. Aber so leicht ist es leider ganz und gar nicht.)
Sobald Sie bei uns einziehen, lieben sie uns. Und dafür müssen wir noch nicht mal irgendetwas Besonderes tun. Unseren Hunden ist es egal, ob wir arm oder reich, schön oder häßlich sind, dick oder dünn, dumm oder klug sind, politisch rechts oder links stehen. Hauptsache wir sind Ihr Mensch. Die Tatsache alleine reicht, um geliebt zu werden. Gibt es einen Menschen in ihrem Leben, der Sie so bedingungslos liebt bzw. lieben würde? Mit Sicherheit niemals.
Hunde haben im Vergleich zu ihrem Vorfahren Wolf ein sogenanntes dauerjuveniles Verhalten, das heißt, sie werden immer einen gewissen Kindstatus bei uns innehalten. Sie sind von uns abhängig wie ein Welpe vom Muttertier. Sie sind in ihrer verspielten Art leicht zu motivieren und zu begeistern. In der Regel macht ihnen alles Spaß, was wir Menschen ihnen anbieten, weil sie uns so sehr lieben. Und daher machen Sie auch so gut wie alles mit Enthusiasmus mit, was wir ihnen motivierend anbieten. Sei es Agility, Dogdancing, Mantrailing, Longieren, Wettrennen, Frisbee, Flyball, Dummytraining, Zughundesport, Obedience, Rettungshundeeinsatz, und was es noch so alles gibt, um den Hund auszupowern, benutzbar zu machen, zu einem besseren Menschen zu erziehen und unser Bedürfnis nach Perfektion und Konkurrenz an ihm auszuleben.
In seiner Begeisterungsfähigkeit macht der Hund dies alles in der Regel mit, und so scheint es uns, dass ihm das alles Spaß machen würde. Es fällt Hunden schwer, die eigenen Grenzen zu zeigen bzw. diese überhaupt selber wahrzunehmen und zu spüren, da durch das in der Euphorie gebildetete Streßhormon Cortisol und diverse Glückshormone diese natürliche Schwelle leicht überschritten wird. Hunde wollen ihrem Menschen gefallen. Und je mehr der Mensch sie zu Höchstleistungen hochpusht, desto mehr drehen sie auf.
Doch anstatt unsere Hunde für sportliche Höchstleistungen zu motivieren, wäre es doch weitaus einfacher, sie für UNS zu motivieren, sie für UNS zu begeistern, sie für uns als Person hochzupushen, sie davon zu überzeugen, dass wir toller, besser, spannender, aufregender, großartiger, fantastischer und lustiger als alle anderen Reize von außen sind.
Wenn Ihnen dies gelingen würde, liebe Hundehalter, dann gäbe es keine Probleme mehr im täglichen Umgang mit unseren Hunden. Keine Probleme bei Hundebegegnungen, keine Probleme mit der Leinenführigkeit, keine Probleme bei Leinenaggression, keine Probleme beim Freilauf, keine Probleme bei übermäßigem Bellen.
Und dafür müssten wir nur an uns arbeiten, anstatt dem Hund etwas beizubringen, ihn zu dressieren, abzurichten, benutzbar zu machen. Dazu brauchen wir keine Übungseinheiten, keine Hundeplätze, sondern nur uns selber.
In diesem Sinne – arbeiten Sie an sich, und Ihr Hund wird Sie spiegeln, Sie als Vorbild nehmen, und in Ihnen stets eine bessere Alternative zu allen Reizen von außen sehen.
106.
KLARHEIT/UNKLARHEIT
Ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, wie unklar wir Menschen mit unseren Hunden kommunizieren?
Nein?
Natürlich nicht, sonst müsste ich ja diesen Artikel auch nicht schreiben.
Hundehalter erwarten ja von ihren Hunden in der Regel absoluten Gehorsam, und dass diese selbstverständlich Gedanken lesen können. Dafür wird dem Hund der sogenannte Grundgehorsam beigebracht, der aus dem Militärbereich herrührt, und es wird erwartet, dass das Tier diesen auch aus dem Effeff beherrscht.
Ein Hund hat in der Regel in jeder Minute des Zusammenlebens mit seinem Menschen die Gelegenheit diesen zu studieren. Dessen Sprache und auch dessen Körpersprache. Das ist für Hunde auch nicht so schwer, und all dies muss man ihm auch nicht extra beibringen, denn es erschließt sich für den Hund aus alltäglichen Situationen, die sich unweigerlich wiederholen.
Umgekehrt ist dies leider weniger der Fall. Welcher Hundehalter studiert wirklich intensiv die Körpersprache seines Hundes, bzw. kann diese dann auch wirklich fachgerecht deuten und interpretieren? (Können Sie den Blick des abgebildeten Hundes interpretieren/lesen? Sieht er glücklich, gelöst und zufrieden aus?) Kaum ein Hundehalter liest wirkliche Fachliteratur über Hunde, außer den üblichen Hundeschulbüchern, in denen steht, wie man zum Chef wird, den Hunden Befehle beibringt oder Tricks andressiert. Es geht in der meisten Literatur darum, den Hund zu einem besseren Menschen zu machen, anstatt sich mit dem Wesen, den Bedürfnissen oder der Denke eines Hundes zu befassen.
Ein Hund hingegen ist im Interpretieren seines Menschen uns innerhalb dieser Beziehung doch ein gutes Stückchen voraus.
Wir erwarten vom Hund, dass er uns perfekt versteht und gehorcht, und dennoch senden wir unbewußt so oft viele widersprüchliche Signale aus.
Beispiel 1: Der Hund schnüffelt – wir wollen aus irgendeinem Grund weitergehen und sagen zum Hund „komm!“ oder „weiter!“. Und gleichzeitig stehen wir neben dem Hund. Wir geben ihm quasi zwei völlig widersprüchliche Infos. Unsere Stimme ermuntert ihn weiterzugehen, unser Körper zeigt ihm aber eindeutig, dass Stehenbleiben das Gebot der Stunde ist. Jetzt hat der Hund also zwei Möglichkeiten, so nach dem Motto: „Kommst Du her oder nicht?“ Er wird sich in der Regel für die Körpersprache entscheiden, denn die ist für ihn eindeutiger. Also bleibt er weiterhin stehen und schnüffelt. Und dafür schimpfen wir ihn oder unterstellen ihn, er würde nicht hören (Synonym für „gehorchen“). Beim nächsten Mal achten Sie bitte darauf, und Sie werden erstaunt sein, wie oft Sie das machen.
Beispiel 2: Unser Hund zieht an der Leine. Wir rufen: „Laaaaaaangsam!“, beschleunigen aber unbewußt unser Tempo und passen uns dem Tempo des Hundes an. Und wieder wählt unser Hund logischerweise unsere Kommunikation über Körpersprache und wird schneller. Was soll er auch mit dem Terminus „laaaaangsam“ anfangen, wenn wir gleichzeitig unser eigenes Tempo beschleunigen? Wieder senden wir ihm zwei Infos und werden gleichzeitig sauer auf den Hund, weil er angeblich nicht „hört“. Achten Sie doch bitte beim nächsten Mal darauf. Sie werden merken, dass Sie das öfter machen als Sie denken.
„Mein Hund zieht mich durch die Gegend“ klagen mir oft Kunden beim Erstgespräch. „Falsch!“ unterbreche ich sofort und sage: „SIE lassen sich von Ihrem Hund durch die Gegend ziehen.“ Hier liegt es glasklar an der Sichtweise des Betrachters. Solange Sie sich von Ihrem Hunden durch die Gegend ziehen lassen, solange wird der Hund Sie auch durch die Gegend ziehen. Weil Sie unklar sind. Weil Sie unklar kommunizieren. Bleiben Sie doch einfach in Ihrem Tempo. Das ist ganz einfach und gleichzeitig klar.
Beispiel 3: Der Hund zögert. Was machen Sie in so einem Moment? Wetten, dass Sie auch zögern? Was soll Ihr Hund daraus schlussfolgern? Na klar, dass Sie sich in dem Moment Ihrer auch nicht mehr sicher sind. Und so zeigen Sie Ihrem Hund, dass seine Unsicherheit gerechtfertigt ist. Sie haben ihm ein eindeutiges körpersprachliches Signal gegeben. Und er faßt es in seiner Welt als klar auf und verhält sich dementsprechend. Da können Sie in dem Moment noch so viel locken. „Ich bin doch nicht blöd“, denkt er... "die Alte hat ja selber die Hosen voll.“
Diese Liste könnte ich endlos erweitern. Nicht der Hund muss lernen, sondern wir.
Liebe Leser, lassen Sie sich doch mal beim nächsten Spaziergang mit Ihrem Hund beobachten, bzw. versetzen Sie sich in ihren Hund. Überlegen Sie, ob Ihr geprochenes Wort mit Ihrer Körpersprache übereinstimmt.
Auch ein Halsband ist immer unklar, denn es verschleiert alle Signale an der Leine durch den Schmerz und das Abdrücken der Luftröhre und der zum Hirn führenden Hauptschlagadern.
Mit einem gutsitzenden Brustgeschirr (bitte kein Norwegergeschirr, dann damit wird die Bewegung der Vordergliedmaßen behindert und zusätzlich auf die Luftröhre Druck ausgeübt) dürfen Sie auch die Leine sich straffen lassen. Und damit meine ich, dass Sie weitergehen. Aber bitte mit ausgestreckem, entspanntem und lockerem Arm und mit Blick auf Ihren Hund. Niemals den Hund mit angewinkeltem Arm unter Zuhilfenahme Ihres Bizeps den Hund zu sich reißen! Denken Sie, Sie halten ein kleines zartes Kind an der Hand und gehen weiter. Gehen Sie Ihren Weg, aber gehen Sie ihn klar. Kein Rucken, kein Reißen. Gehen Sie Ihren Weg und bleiben Sie immer freundlich. Dann wird Ihr Hund Ihnen glauben. Loben Sie ihn verbal, und er wird klar verstehen, was Sie wollen, und dass das was Sie von ihm wollen, niemals gegen ihn ist.
In diesem Sinne - lernen Sie von Ihrem Hund - er ist Ihr Spiegel und zeigt Ihnen genau, ob Sie etwas richtig oder falsch machen.
105.
Verstecken
Wenn ich mit meinen Kunden und deren Hunden den Freilauf erarbeite, dann mache ich eine Minute nach dem Ableinen einen kleinen Test, um zu sehen, wie sehr der Hund, wenn er frei ist, seinen Menschen noch auf dem Schirm hat und bitte die Hundehalter, einfach mal stehen zu bleiben.
„Das mache ich zu Hause auch und verstecke mich dann. Das macht ihm total Spaß!“, sagen viele Hundehalter dann.
Tatsächlich?
Glauben Sie wirklich, liebe Leser, dass es Ihrem Hund Spaß macht, wenn Sie plötzlich wie vom Erdboden verschwunden sind, und er verzweifelt nach Ihnen sucht? Nach Ihnen – dem einzigen Sozialpartner, den er in seinem Leben hat. Nach Ihnen - der Person, die er so sehr liebt.
Würde es einem Kind Spaß machen, welches sich gerade noch begeistert, fasziniert und abgelenkt im Einkaufszentrum am Schaufenster des Spielwarenladens die Nase platt gedrückt hat, wenn seine Mutti plötzlich verschwunden wäre?
Würde es begeistert nach ihr suchen?
Dass Ihr Hund, nachdem er Sie gefunden hat mit dem Schwanz wedelt und sich freut, ist normal, hat aber nichts mit Spaß zu tun. In seiner Welt waren Sie gerade für immer verschwunden, und nun ist ihm klar, dass Sie doch noch am Leben sind. Dass es Sie noch in seiner kleinen Welt gibt. Für einen Hund ist der Verlust seines Menschen ein Supergau und kein Grund zur Freude. Er freut sich, weil er Sie wieder hat und nicht, weil er Ihr Versteckspiel so toll findet.
Fördert so etwas das Vertrauen zu Ihnen?
Wir Hundehalter sind für das Leben unserer Hunde, ihre Gesundheit und ihre körperliche Unversehrtheit zuständig, gerade so wie eine Hundemama für ihre Welpen. Keine Tiermutter würde sich vor ihrem Nachwuchs verstecken, das wäre ein massiver Vertrauensmissbrauch.
Es gibt Hunde, gerade wenn sie noch jung sind, die bei diesen Versteckspielchen regelrecht panisch werden und blindlings wegrennen. Ich habe erlebt, dass solche Hunde sogar komplett verwildern können, weil ihre Sinne und ihr Hirn komplett austicken vor Angst. Das kann soweit gehen, dass sie ihren Menschen beim Wiedersehen nicht mehr erkennen. Wollen Sie das wirklich riskieren?
Der Hund lernt aus solchen hinterhältigen Psychospielchen NICHT, dass er in Zukunft besser auf Sie achten soll.
Es ist IHRE Pflicht, Ihren Hund im Blickfeld zu haben, und nicht die Pflicht Ihres Hundes, ständig auf Sie zu achten.
„Verletzung der Aufsichtspflicht“ würde man in so einem Fall bei einer Mensch-Kind-Beziehung sagen.
Bitte verletzen Sie auch die Aufsichtspflicht Ihrem Hund gegenüber nicht. Im Freilauf passieren in seiner Welt tausend spannende Dinge, die ihn ablenken. Seine Sinne werden von den vielen Eindrücken regelrecht betört. Sie können nicht erwarten, dass bei so viel Ablenkung Ihr Hund ständig auch noch auf Sie achtet.
Dass er dies aber dennoch macht, das müssen Sie sich erarbeiten, aber bitte nicht erwarten oder gar verlangen.
Daher bleiben Sie doch einfach mal stehen, wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Hund Sie draußen gar nicht mehr wahrnimmt, bzw. wenn Sie wissen möchten, WIE interessant im Freilauf Sie denn noch sind.
Bleibt Ihr Hund dann ebenfalls stehen, auch auf die Distanz, dreht er sich gar fragend nach Ihnen um, oder kommt er sogar zu Ihnen gelaufen, dann feuern Sie ihn an, motivieren Sie ihn mit allen Mitteln, bereiten Sie ihm eine Show, rufen Sie ihm mit heller, fröhlicher Stimme eine freundliche verbale Bestätigung zu, und Sie werden sehen, wieviel Spaß er dabei hat. So können Sie einen optimalen Rückruf aufbauen, bei dem der Hund mit leuchtenden Augen und fliegenden Ohren zu Ihnen gerannt kommt. Nicht weil er muss – sondern weil er will! Und vergessen Sie bitte das Dankeschön in Form einer kleinen Leckerei nicht, wenn er bei Ihnen angekommen ist. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass er für Sie alles stehen und liegen läßt.
In diesem Sinne – lassen Sie Ihren besten vierbeinigen Freund nicht im Stich, weder aus Spaß, noch aus irgendwelchen Psychospielchengründen.
104.
Warum und wie Hunde Leinenpöbler werden„Meiner ist an der Leine bei Hundebegegnungen total dominant, größenwahnsinnig und denkt, er sei der Chef.“
So artikulieren es viele meiner Kunden, wenn sie mit einem sogenannten Leinenpöbler zu mir kommen.
Aber wie kommt es dazu, und was können wir Hundehalter machen, damit dieses Verhalten weniger bzw. besser wird?
Sie müssen bedenken, dass Hunde friedliebende Tiere sind und Aggressionen vermeiden wo es nur geht. Fühlen sie sich bedroht, haben sie nur zwei Möglichkeiten: Angriff oder Flucht. Im Freilauf haben die wenigsten Hunde Probleme bei der Begegnung eines Artgenossen, denn sie können ihm bei Antipathie jederzeit ausweichen. An der Leine jedoch ist ihnen bewußt, dass dies nicht möglich ist und sie im Zweifelsfall keine Chance haben auszuweichen, wegzulaufen bzw. zu fliehen, sollte sich der andere als bedrohlich oder aggressiv zeigen. Dies gilt vor allem für kleine Hunderassen.
Da dem Hund nun durch die Leine die Chance genommen wird zu fliehen, bleibt ihm nur die Möglichkeit des Angriffs. So drohen sie ihrerseits und das sicherheitshalber oftmals schon im Vorfeld, indem sie wild bellend und tobend beim Anblick eines anderen Hundes nach vorne in die Leine springen, um den vermeindlichen „Gegner“ zu sagen: "Geh weg! Hau ab! Du bist zu nahe!".
Das Ganze beginnt oft ab der Pubertät, und man kann ziemlich sicher sein, dass davor irgendein (und sei es noch so kleiner) Vorfall mit einem anderen Hund vorangegangen ist, durch den es zu dieser Leinenaggression gekommen ist. Und dies hat absolut nichts mit Dominanz oder Chef sein zu tun. Sondern mit genau dem Gegenteil.
Und ab da beginnt das Dilemma: Der Hundehalter erschrickt durch den abrupten Emotionsausbruch seines Hundes und reißt die Leine mit einem Ruck nach hinten und bestraft ihn dadurch. Oftmals sogar schon unbewußt.
Was lernt der Hund daraus?
Er lernt, dass sein Mensch, der einzige Ansprechpartner in seinem Leben ihn für seine Unsicherheit straft, anstatt ihm beizustehen. Aggression kommt immer aus Unsicherheit. Ein selbstsicherer Hund würde sich bei einer Hundebegegnung gelassen, stolz und souverän verhalten. Viele Hundehalter haben merkwürdigerweise große Probleme damit, die Gefühle und Emotionen ihrer Hunde richtig einzuschätzen, richtig zu lesen und zu deuten und diese dann auch ernst zu nehmen. Emotionen kommen von innen und sich nicht steuerbar. Geht uns Menschen genauso. Im Fall einer negativen Erregung braucht weder ein Hund noch ein Mensch Strafe, sondern genau das Gegenteil: Beistand. Schutz. Hilfe. Einen klugen, weisen und gelassenen Freund, der ihm hilft, der ihn erdet, der ihn beruhigt, der ihn versteht und schützt.
Emotionen kann man nicht bestrafen. Weder positive Emotionen wie Freude, Lust oder Liebe, noch negative Emotionen wie Angst, Wut, Unsicherheit, Zorn, Hass, Streß. Aber man kann beide noch mehr verstärken, wenn weitere adäquate Emotionsauslöser dazukommen.
Straft man einen Hund für seinen Ärger, für seine Wut, für seine Unsicherheit, für seine Hilflosigkeit in solchen Situationen beispielsweise mit einem Leinenruck, und den auch noch mit einem Halsband, kommen für den Hund weitere negative Emotionen hinzu plus dem vom eigenen Menschen ausgelösten Schmerz, und so wird die gegenwärtige negative Emotion nicht gelöscht, sondern verstärkt. Und als Nebeneffekt wird der eigene Hund dies immer mit dem Anblick eines anderen Hundes verknüpfen: Hundebegegnung = Schmerz, Wut, Hass, Hilflosigkeit und ein wütender Sozialpartner, der scheinbar ebenso emotional verwirrt und hochgradig erregt und gestresst ist, wenn er einen anderen Hund erblickt.
Je mehr Strafe (und dazu gehört auch schimpfen, maßregeln, verbales oder körpersprachliches Bedrohen) und negative Emotionen seitens des Menschen in so einer Situation erfolgen, desto schlimmer wird die Leinenaggression des Hundes. Ein Teufelskreis entsteht.
In diesem Sinne – seien und werden Sie ein weiser, kluger Sozialpartner auf den man sich verlassen kann.
103.
„Die machen das schon unter sich aus“
Den Satz hört man oft, wenn zwei Hunde aneinandergeraten.
Nun ist aber die Frage, WAS die beiden denn unter sich ausmachen sollen? Wieso sollten zwei Hunde, die einander nicht kennen und mutmaßlich auch nie wieder sehen werden denn bitte untereinander ausmachen und wozu?
Halten Sie einer Person die Ihnen auf der Straße entgegen kommt die Faust unter die Nase und fragen diese dann: „Willst Schläge haben, Alter?“
Hunde sind konfliktscheue Tiere und haben in der Regel auch überhaupt kein Interesse an Auseinandersetzungen. Sie leben autark und wollen einfach nur ein gemütliches Dasein. Das „unter sich ausmachen“ ist in der Regel Mobbing, und es obliegt uns als einziger Ansprech- und Sozialpartner unseres Hundes, so eine Begebenheit in seinem Sinne zu regeln. Wir sind es ja meistens, die Hunde unbewußt in so eine Situatation hineintreiben.
Straßenhunde gehen sich in der Regel aus dem Weg um Konflikte zu vermeiden. Wir aber schauen seelenruhig zu, wenn zwei Hunden einander beschnüffeln und warten gespannt zusammen mit dem anderen Hundehalter, wie die Situation wohl weitergeht. Damit nehmen wir unserem Hund die Möglichkeit, sich zu entziehen. Wir stehen dabei wie schaulustige Gaffer und sehen zu, wie die zwei Hunde angeblich so süß spielen und erkennen oft die Gratwanderung nicht zwischen Spiel und Mobbing. Gerade dann, wenn die beiden deutliche Größenunterschiede aufweisen. Das „niedliche“ Spiel eskaliert zum Selbstschutz des Schwächeren, und dabei wird demjenigen dann auch noch „Größenwahn“ oder „der denkt jetzt, er sei der Chef“ angedichtet.
Daher meine Bitte: Wenn Sie mit Ihrem unangeleinten Hund auf einen anderen unangeleinten Hund samt Halter treffen, gehen Sie bitte einfach gelassen weiter, um Ihrem Hund das „Vorhang frei“ für das nun folgende Geschehnis zu ersparen. Sind die beiden sich tatsächlich wirklich smpathisch, dann können Sie immer noch stehenbleiben und sich an dem Ganzen erfreuen. Zeigt Ihr Hund jedoch deutliche Streßsymptome, dann bieten Sie ihm durch Ihr langsames Weitergehen an, sich für Sie als kluger Sozialpartner zu entscheiden. Und sollte Ihr Hund offensichtlich gemobbt werden, dann beschützen Sie ihm bitte, und wenn er sehr klein ist, dann „retten“ Sie ihn dadurch, dass Sie ihn hochheben und ihn damit aus dieser stressigen und bedrohlichen Situation herrausziehen. Er hat körperlich keine Chance. Nicht jeder Hund ist so sozialisiert, als dass er ein „NEIN, ich möchte das nicht!“ eines fremden Hundes wirklich akzeptieren kann.
Eine andere Situation ist es, wenn Sie in Ihren Haushalt einen weiteren Hund eingliedern. Bedenken Sie, dass Sie hier eine Zwangs-WG aufmachen, um die Sie Ihr Hund nicht gebeten hat.
Machen Sie zur Vergesellschaftung auf neutralem Grund mit beiden angeleinten Hunden mit Hilfe einer weiteren Person einen kleinen Spaziergang und achten Sie dabei darauf, dass beide Hunde einander nicht berühren oder beschnüffeln können. So haben beide Hunde die Möglichkeit, sich nur durch das Beobachten des anderen beim Gehen ein klares Bild von ihrem zukünftigen WG-Partner zu machen. Wenn sich keine Auffälligkeiten gezeigt haben können Sie anschließend zusammen ins Haus gehen und da die Hunde von der Leine lassen, was dann in der Regel sehr unspektakulär sein wird.
Meine Mädels und die Neuzugänginnen sind darauf hin immer schlagartig gemeinsam läufig geworden und flirteten, balzten und spielten somit wirklich ganz entzückend miteinander. So entstanden nie Konflikte untereinander. Eine ganz faszinierende Sache, wie ich finde.
Meine Bitte: Beschützen Sie ihren Hund, bewahren Sie ihn vor Konflikten und bieten Sie ihm an Ihrer Seite eine gechillte Zeit. Hunde haben sich unter anderem dem Menschen angeschlossen, um von ihm Schutz zu bekommen – und nicht umgekehrt.
Strafe
funktioniert in der Regel. Je härter sie ausfällt, desto sicherer können Sie sein.
Aber noch sicherer können Sie dann sein, dass Ihr Hund Ihnen NIE wieder vertrauen wird.
102.
Ich habe mich oft gefragt, woher der immer noch so harte, barsche, strenge Umgang
mit dem besten Freund des Menschen herrührt und warum sich viele Hundehalter diesen so einleuchten lassen.
Es begann durch den Militäreinsatz von Hunden im 1. Weltkrieg. Da entstand der Kommandoton gegenüber Hunden, der sogenannte "Grundgehorsam" und die "Unterordnung", da Hunde nicht besser als ein Soldat behandelt werden sollten und vor allem ebenso bedingungslos funktionieren und parieren sollten.
Im Militär gibt es klare vom Menschen erfundene Hierarchien, die bei Caniden wissenschaftlich erwiesenermaßen nicht existieren. Diese Rangordnungstheorie wurde nach einem Mißverständnis bei Beobachungen von Gehegewölfen in unnatürlicher Haltung in den 70er Jahren von David Mech verbreitet und von ihm selber 20 Jahre später berichtigt und revidiert.
Der Krieg ist seit 100 Jahren vorbei, und immer noch behandeln und kommunizieren wir mit unseren Hunden wie mit Soldaten, mit Untergebenen, mit Untertanen, mit minderwertigen Wesen und behandeln sie alles andere als mit Liebe, Empathie, Freundlichkeit, Achtsamkeit, Würde und Respekt.
Auch der Ton und der Umgang gegenüber den Hundehaltern ist in vielen Hundeschulen nicht groß anders.
Soldaten waren damals reines Kanonenfutter - und Hunde auch. Mit Betonung auf DAMALS.
Aber das sind sie nicht mehr. Wir haben sie zu uns ins Haus geholt, weil wir Hunde lieben. Doch warum wird bei Hundehaltung im Vergleich zu sonstiger Haustierhaltung oder im Umgang mit Menschen der Begriff "Liebe" auf einmal so differenziert betrachtet bzw. interpretiert? Woher kommt dieser Sinneswandel und der damit verbundenen fehlende Skrupel im Umgang mit diesen uns liebenden Wesen, der ja leider auch immer wieder im Fernsehen in einschlägigen Sendungen vorgemacht wird?
Ich habe unlängst einen sehr interessanten psychologischen Bericht gelesen, in dem es darum ging, warum Menschen gerne Tiere quälen und fand diese einleuchtende Antwort dazu:
"Es gibt Personen, die sich Tiere als Opfer suchen, um sich über die Erniedrigung des Opfers ein Gefühl der Überlegenheit und Allmacht zu verschaffen, um sich selbst in ihrem Selbstwertgefühl zu stabilisieren, um es mit sich selbst überhaupt auszuhalten. Das sind Personen, die einen unsicheren Selbstwert haben, mit einer problematischen Persönlichkeit bis hin zu einer Persönlichkeitsstörung.
Doch das psychische Grundproblem des Täters bleibt dasselbe: die Unmöglichkeit des Täters, seine inneren Spannungen unter Kontrolle zu bringen, da er nie gelernt hatte, diese selbständig zu lösen. Haustiere seien als Opfer zum inneren Spannungsabbau dabei aus mehreren Gründen geeignet. Man kann nämlich auch eine Steigerung des Selbstwertgefühls und einen aggressiven Akt darin erleben, wenn man diese für andere niedlichen Tiere erniedrigt, schädigt oder ihnen Leid zufügt."
Professor Kolja Schiltz, Leiter Forensische Psychiatrie LMU
In diesem Sinne... wenn Sie das nächste mal Ihren Hund anschreien, strafen, unterwerfen, erniedrigen oder bedrohen - überlegen Sie sich, ob sie sich wirklich die oben erklärten psychologischen Attribute überstülpen möchten.
101.
Protestpinkeln?
„Und dann hat er aus Protest mitten auf den Teppich gemacht!“
„Bitte?“
Tiere hinterlassen ihre Stoffwechselendprodukte nicht aus Protest irgendwo, sondern weil sie sich lösen müssen.
Erst mal von vorne: Kein Tier geht davon aus, dass seine Fäkalien für andere eklig sind. Fast jedes Tier beschnuppert seine eigenen Hinterlassenschaften ausgiebig und auch die von anderen Kollegen.
In unserer Gesellschaft hat man gelernt, sich davor zu ekeln.
Stubenreinheit bei Hunden kann viele Wochen bis Monate dauern, denn das Hundebaby muss erst mal durch Abschauen von Muttertier lernen, dass sich das Lösen außerhalb der Wurfstätte ein guter Ansatz ist. Vorher entfernt die Mutter die Fäkalien ihre Nachwuchses, um die Babystube sauber zu halten. Nach und nach merkt das Hundebaby dann, dass es nicht so schön ist, in seinen eigenen Fäkalien zu weilen. Wer schon einmal seinen Hund in der Tierklinik lassen musste, weiß, wie lange ein Hund es herauszögert, sich an Ort und Stelle zu lösen.
Hundebabys, die bei Ihren Menschen eingezogen sind, vermeiden es, sich draußen zu lösen, denn für sie ist die Welt noch fremd, unheimlich und alles neu. Gerade haben Sie ihr neues Zuhause bezogen und sie wissen einfach noch gar nicht, wo ein für sie geeigneter Ort ist, um Urin und Kot abzusetzen. Auch wenn man sich einen bereits erwachsenen Hund holt, ist es oft für ihn schwierig, sofort draußen sein Geschäft zu machen. Zum Lösen muss man entspannt sein, loslassen können im wahrsten Sinne des Wortes. Gelöst sein. Kann man sicher als Mensch nachvollziehen, denn auf eine öffentliche Toilette gehen ist auch nicht gerade angenehm, vor allem, wenn andere diese auch zeitgleich von anderen Personen frequentieren. Es ist ziemlich unangenehm.
Und dennoch passiert es vor allem vielen Hundebabys oder auch Hundekindern, dass doch in der Aufregung mal etwas daneben geht. Vor Freunde, vor Aufregung, vor Angst. Kennen Sie den Spruch: „Ich hab mir vor Angst fast in die Hose gemacht“? Die Beckenbodenmuskulatur und die Schließmuskeln funktionieren nicht mehr, das Streßhormon Adrenalin bewirkt, dass sich alle Schleusen öffnen. Auch bei langanhaltendem Streß sorgt das Hormon Cortisol dafür, dass Stubenreinheit vergessen wird. Und dies zeigt sich oft bei Hunden, die mit dem Alleinsein nicht zurechtkommen, weil sie zu früh, bzw. zu lange alleine gelassen wurden.
Dies kann sich zeigen durch langanhaltendes Bellen, Jaulen, Heulen, Weinen, aber auch durch das Zerstören von Gegenständen, um den Streß irgendwie zu kompensieren, als eben auch durch das Koten und Urinieren.
Aber niemals macht ein Hund so etwas, um seinem Menschen eins auszuwischen oder zu protestieren. Zu so komplexen Gedankengängen ist ein Hund nicht fähig. Das wäre ein üble Form der Vermenschlichung, einem Hund so etwas zu unterstellen. Er hat in dem Moment einfach nur Angst, oft sogar Todesangst.
Auch zur Begrüßung Ihres Menschen pinkeln Hunde oft unter sich, meist wenn sie in Rückenlage sind. Das ist ein submissives, also unterwürfiges Verhalten.
Streß ist ein häufiger Grund, wenn ein erwachsener Hund plötzlich wieder ins Haus macht. Hunde sind sehr sensible Tiere. Sie empfinden häufiger als Menschen die kleinsten Gegebenheiten als Streß. Überforderung, zu wenig Schlaf, eine Veränderung im Tagesablauf, ein Baby, ein neues Haustier oder zuviel Besuch können unter anderem ein Streßauslöser sein.
Auch ein gesundheitliches Problem kann ein Grund sein. Bitte bei solchen Vorfällen unbedingt Blase und Niere bei einem Tierarzt untersuchen lassen.
Bitte bestrafen oder schimpfen Sie Ihren Hund niemals für solche „Unfällchen“. So würde er erst recht Angst bekommen, sich zu lösen. Und Angst vor Ihnen bekommen. Wann immer ein Pfützchen oder Häufchen ins Haus geht, wischen Sie es bitte kommentarlos weg. Bedenken Sie, wie oft Kinder noch in die Hose oder ins Bett machen, obwohl sie schon von den Windeln weg sind. Auch das ist kein Protest und auch kein Anstreben von Aufmerksamkeit.
100. Leckerli
„Soll ich Leckerli zum Unterricht mitbringen? Ich denke, Sie geben keine Leckerli, weil Sie ja keine Kommandos und keinen Grundgehorsam beibringen“, fragen mich viele Kunden oft vor dem Unterricht.
Ich bringe Hunden nichts bei, weil sie von Natur aus alles können, was ein Hund so können muss. Sie können gehen, laufen, rennen, essen, trinken, sitzen, liegen, bellen und so weiter. Hat jeder Hund einst von seiner Mama und in der Interaktion mit seinen Geschwisterchen gelernt. Sehr praktisch. Also muss ich ihnen nichts antrainieren, nichts andressieren und brauche auch keine Trainingseinheiten oder Wiederholungen um etwas zu üben. Weder Zuckerbrot noch Peitsche. Und somit brauche ich Hunde auch nicht für irgendetwas Andressiertes zu belohnen. Keine Kommandos, keine Dressur, kein Grundgehorsam, keine Kunststücke.
Auch lasse ich nicht, um den Hund zu erfreuen, einfach immer mal wieder Leckerlis fallen. Und ich verstecke auch keine Leckerli beim Spazierengehen in der Natur, um den Hund zu beschäftigen. Er hat ohnehin genug zu tun beim Schnüffeln, Schauen, Wahrnehmen, Hören, Fühlen und Analysieren. Damöchte möchte ihm auch nicht noch extra zeigen, dass draußen noch mehr Essbares rumliegen könne als er denkt. Denn auf Futtersuche sind Hunde als Allesesser ohnehin ununterbrochen. Muss man das fördern?
Ich nutze Leckerlis für genau zwei wichtige Dinge:
Erstens als Dankeschön, wenn der Hund kommt, wenn ich ihn rufe. Stellen Sie sich vor, Ihr Hund ist im Freilauf und macht etwas, was ihn interessiert (schnüffeln, markieren, eine Spur aufnehmen, einen Jogger oder Radfahrer jagen oder zu einem anderen Hund laufen), und dann rufen Sie ihn sehr freundlich und fröhlich mit heller Stimme (und bitte mit seinem Namen und einem fröhlichen Nachsatz und nicht im Militärchargon), und er läßt FÜR Sie alles stehen und liegen und kommt zu Ihnen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und ich finde es nur mehr als rechtens und auch einen Akt der Höflichkeit, mich dafür zu bedanken.
Sie würden es doch nicht anders bei einem Mitmenschen handhaben, der seine Interessen ad hoc für Sie beiseite stellt und auf Ihre Bitte hin zu Ihnen eilt. Wäre das eine Dressur, ein Kommando oder ein Kunststück, welches Sie ihrem Mitmenschen beigebracht haben?
Ich sehe das weder als Belohnung für Erlerntes und erst recht nicht als Bestechung, sondern als eine Selbstverständlichkeit meinerseits. Immer.
Jeder Reiter gibt seinem Pferd nach dem Reiten ein Leckerli. Da käme keiner auf die Idee, von Bestechung zu reden. Und auch als Belohnung wird das Pferd das nicht erkennen, denn belohnen kann man nur etwas, was gerade passiert ist. Somit würde man ja das Pferd dafür belohnen, dass man gerade abgestiegen ist.
Aber als Dankeschön wird so etwas erkannt. Da kommt etwas Gutes vom Menschen.
Der zweite Grund, wann ich Leckerlis verwende ist, um dem Hund eine unangenehme Situation zu versüßen.
Sei es im Zustand der Angst, der Unsicherheit oder des Unbehagens, sofern der Hund in so einer Situation noch Essen möchte bzw. kann.
Und ich setze noch eines drauf: Auch im Zustand von Wut und Aggression gebe ich dem Hund ein Leckerli – sofern der Hund in so einem Moment noch den Nerv hat, Nahrung aufzunehmen.
Haben Sie keine Angst: Sie können damit den augenblicklichen Zustand Ihres Hundes nicht belohnen und erst recht nicht diesen Zustand ver- oder bestärken.
Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Hundes: Stellen Sie sich vor, Sie haben vor etwas Angst. Nehmen wir mal Spinnen, Schlangen, Ratten oder Ähnliches. In dem Moment, wo Sie den Angstauslöser erblicken, schenkt Ihnen Ihr einziger Sozialpartner etwas Tolles, nehmen wir mal 100 Euro.
Was passiert in so einem Moment in Ihnen? Haben Sie ab sofort noch mehr Angst? Mit Sicherheit nicht. Fühlen Sie sich in Ihrer Angst bestätigt? Wohl kaum. Wohl eher, wenn Ihr Sozialpartner in dem Moment auch Angst hätte oder Sie im Stich lassen würde. Ja, dann hätten Sie noch mehr Angst. Bekämen Sie jedoch jedes Mal 100 Euro, wenn Sie Angst haben, was würde in Ihnen vorgehen, wenn Sie einen Angstauslöser sehen? Richtig: Eine positive Erwartungshaltung, denn Sie wissen, dass gleich zu dem Negativen etwas Positives dazukommt.
Und dennoch könnten Sie Angst nicht vorspielen, um beispielsweise weitere 100 Euro zu bekommen, denn Angst ist eine Emotion und kein Verhalten. Wären Sie ein sehr guter Schauspieler könnten Sie Angst glaubwürdig vorspielen, aber dazu bräuchten Sie eine sehr gute abgeschlossene Schauspielausbildung, so dass man Ihnen das wirklich abnimmt. Und glauben Sie mir – das schaffen Sie nicht. Und ein Hund erst recht nicht. Ich war früher Lehrerin an Schauspielschulen und kann Ihnen das fachlich versichern.
Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie wären wütend. Egal auf was, sie haben eine richtige „Sauwut“ im Bauch. Und Ihr einziger Freund schenkt Ihnen plötzlich 100 Euro. Was passiert in so einem Moment in Ihnen? Werden Sie in dem Moment noch wütender? Mit Sicherheit nicht. Fühlen Sie sich in Ihrer Wut bestätigt? Wohl kaum. Ihr Fokus wäre in dem Moment nur bei den 100 Euro. Sie würden sich nur dann in der Wut bestätigt fühlen, wäre Ihr Partner ebenfalls wütend. Bekämen Sie jedes mal 100 Euro, wenn sie wütend sind, was würde in Ihnen vorgehen, wenn Sie einen Wutanfall in Ihnen hochkommen spüren? Richtig: Eine positive Erwartungshaltung, denn Sie wissen, dass gleich etwas Positives dazukommt, was Ihre Wut im Keim ersticken läßt. Denn ein positives Erlebnis löst Glückshormone in Ihnen aus, und die sind die schlimmsten Feinde von Streßhormomen.
Auch in diesem Beispiel könnten Sie Wut nicht vorspielen, denn auch Wut ist eine Emotion und kein Verhalten und somit nicht steuerbar oder willentlich auslösbar. Wären Sie ein sehr guter Schauspieler könnten Sie Wut glaubwürdig vorspielen, aber dazu bräuchten Sie eine sehr gute abgeschlossene Schauspielausbildung, damit man Ihnen das wirklich abnimmt. Und glauben Sie mir – auch das schaffen Sie nicht.
Liebe Hundehalter, versüßen Sie ihrem Hund unangenehme Momente und lernen Sie „Danke“ zu sagen. Das haben Ihnen schon Ihre Eltern als Kind beigebracht in der Interaktion mit Ihren Mitmenschen. Und so machen Sie es bitte auch bei Ihrem besten vierbenigen Freund. Er hat nur Sie.
99.
Kommunikation über Geruch
Hunde haben verschiedene Möglichkeiten untereinander und auch mit uns Menschen zu kommunizieren:
- über Akkkustik (bellen, jaulen, winseln, heulen)
- über Körpersprache (vor allem die sogenannten Calming Signals)
- über Berührungen (kratzen, ablecken, anschmiegen, unter die Hand schlüpfen)
- und über Geruch, das ist die sogenannte olfaktorische Kommunikation.
Das ist ein ganz besonders wichtiger Punkt, da genau diese Art der Kommunikation von vielen Hundehaltern als lästig oder unappetitlich empfunden wird.
Das erste was ein Hund macht, wenn wir mit ihm rausgehen ist die Nase senken und schnüffeln bis er eine interessante Stelle findet. Und dann markiert er darüber und macht sein Pipi. Damit kann noch fast jeder Hundehalter leben. Aber ab da wird der Hund in der Regel gnadenlos weitergezogen, sobald er weiter schnüffeln will, denn er hat sich den Spaziergangsregeln seines Menschen anzupassen. Und der will gerne zügig seine Runde drehen um diesen Teil des Tages hinter sich zu bringen.
Da treffen leider zwei völlig unterschiedliche Interessen aufeinander. Das Schnüffeln und Markieren ist ein wichtiger Bestandteil der täglichen Auslastung des eigenen Hundes. Das ist seine Nasen- und Kopfarbeit. Und zwar eine Nasen- und Kopfarbeit in seinem Sinne und nicht in unserem Sinne. Hunde schnüffeln am Pipi anderer Hunde, weil sie damit eine unendliche Vielfalt an Informationen aufnehmen können. Nicht unähnlich, wie wenn wir Facebook lesen. Wir lesen auf der Startseite all das, was unsere Freunde so bewegt, was sie erlebt haben, sowie eine Anzahl von wichtigen Artikeln, Berichten und Videos. Wir klicken dann auf „Gefällt mir“ – der Hund markiert über die wichtigen Stellen darüber.
Gefällt uns ein Artikel besonders gut, so dass wir der Meinung sind, all unsere Freunde müssen diesen Text auch unbedingt lesen, dann drücken wir auf „Teilen“ – unser Hund hingegen scharrt mit den Hinterpfoten über seine Hinterlassenschaft. Nicht weil er denkt, dass er dann Chef ist. Bitte glauben Sie solche Ammenmärchen aus dem vorigen Jahrhundert nicht. Er macht es, damit auch der Dümmste seine wichtigen Informationen mitbekommt und nicht achtlos daran vorbeiläuft. Das ist Auslastung, das ist Nasen- und Kopfarbeit, das ist Kommunikation.
Beobachten Sie sich doch bitte mal, wie oft Sie Ihren Hund dabei weiterziehen, obwohl er noch gar nicht fertig ist. Das wäre als würde Ihnen jemand beim Facebook lesen den Labtop zuklappen würde oder Ihnen das Handy aus der Hand reißen würde. Oder Ihnen die Zeitung aus der Hand reißen würde, während Sie darin lesen. Ganz schon unverschämt, nicht wahr? Aber der Hund hat seine Interessen nach unseren Vorlieben zu gestalten und nicht nach seinen – so denken es viele Hundehalter. Er soll gefälligst die Nasen- und Kopfarbeit machen, die wir uns für ihn ausdenken und nicht die die für ihn in seiner Hundewelt wirklich elementar wichtig ist. So denkt und handelt fast ein jeder, wenn auch oft unbewußt. Halten wir uns als selbsternannte Krone der Schöpfung für die besseren und klügeren Hunde? Müssen wir uns wirklich über alles erheben? Wissen wir besser, was ein Hund möchte und was ihn interessiert als er selber?
Oder kommt da von uns eventuell ein bißchen Ekel dazu? Man schnüffelt doch nicht an Urin. Nun sind wir aber die einzige Spezies, die sich vor Urin ekelt.
Und es geht noch weiter: Hunde schnüffeln nicht nur am Urin ihrer Kollegen, sondern auch am Kot anderer Hunde.
PFUI! schreit spätestens jetzt fast jeder Hundehalter und reißt den Hund besonders hart weiter. Zur Strafe für sein normales Hundeverhalten. Aber auch das ist für unsere Hunde ein wichtiges Kommunikationsmittel. Mit jedem Kotabsatz setzt ein Hund ein Tröpfchen Analdrüsensekret ab, welches fast wie ein Fingerabdruck, ein Personalausweis eines Hundes ist. Gespickt mit wichtigen Infos über sich selber und seinen Zustand. Das ist auch der Grund, warum Hunde sich am Po beschnüffeln: Es geht hierbei nicht um das Popoloch sondern um die Analdrüsen.
Haben Sie bitte keine Angst: Der Hund holt sich dabei keine Würmer, sonst hätte die Natur bei dieser Art der Kommunikation einen fatalen Fehler begangen. Schauen Sie doch mal genau hin: Er berührt mit der Nase den Kothaufen des Kollegen überhaupt nicht, sondern schnüffelt natürlich mit Abstand.
Und noch am Rande, weil man es tatsächlich in unserer modernen Zeit immer noch hört: Schnüffeln, Markieren und Scharren hat nichts mit Dominanz zu tun. Abgesehen, dass es keine Dominanz oder Rangordnung bei Hunden oder Wölfen gibt, will Ihr Hund nicht in irgendeiner Weise über Ihnen stehen, lieber Leser und Hundefreund, sondern sich über andere Kollegen informieren und einfach nur mit Ihnen in Frieden und Liebe leben und dennoch dabei Hund sein dürfen.
Liebe Hundehalter, bitte führen Sie sich immer wieder vor Augen: Ihr Hund ist kein Mensch, und schon erst recht kein Mensch mit dem Blick auf die Welt wie Sie ihn haben. Ihr Hund ist ein Hund, der Sie liebt, aber dennoch in seiner Hundewelt lebt und auch das Recht haben möchte, in seiner Hundewelt leben zu dürfen, gerade mit all den Andersartigkeiten. Gestehen Sie ihm das doch bitte zu. Er wird es Ihnen durch Ausgeglichenheit danken. Machen Sie ihm keine Streß – dann wird er Ihnen auch keinen machen.
98. Kastration
Es ist eine typische Unsitte in unserer Kultur, Tieren - in unserem Fall Hunden - die Geschlechtsorgane wegschneiden zu lassen. Warum ist das so?
Ist es unsere Angst vor der Sexualität? Woher kommt das? Es besteht scheinbar eine gewisse Furcht unsererseits vor ihrer Sexualität. Die Angst vor unkontrollierter Fortpflanzung ist dabei merkwürdigerweise der geringste Grund für dieses offiziell tierschutzwidrige Handeln, da unsere Haushunde ja nicht wie die meisten unserer Katzen unkontrollierten Freilauf genießen. Daher gilt dies hier Geschriebene natürlich nicht für Kastrationsprojekte bei Straßenhunden. „Aber unser Rüde reißt immer aus!“ höre ich oft. Hält man Tiere, muss man sie so sichern, dass sie nicht ausreißen können. Gerade Reiter (und vor allem Pony- oder Hengsthalter) wissen, dass eine Pferdekoppel so sicher sein muss, dass das Tier weder unten durch schlüpfen noch oben drüber springen kann. Das gilt natürlich für alle Haustiere. Ist der Zaun, Käfig oder Stall nicht sicher, nutzt das Tier das selbstverständlich aus.
Das Kastrieren ist offiziell ein Verstoß gegen den §6 Tierschutzgesetz: „Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen, außer bei tierärztlicher Indikation“. Hoden, Eierstöcke und Gebärmutter sind ebenso Körperteile wie Rute und Ohren. Tierärztliche Indikation bedeutet, dass das Organ wegen einer bestehenden Erkrankung amputiert werden muss – aber mit Sicherheit nicht, damit es nicht erkrankt. Vorbeugendes Amputieren ist völlig sinnlos. Es ist regelrecht grotesk, einem Lebewesen ein Körperteil vorsichtshalber abzuschneiden, damit es später mal nicht eventuell erkranken könnte.
Brustkrebs ist bei uns Frauen die häufigste Krebserkrankung, und mit Sicherheit würden wir uns nicht die Brüste prophylaktisch abnehmen lassen, damit sie eventuell nicht erkranken. Schlimm genug, dass man es dann machen muss, wenn sie vom Krebs befallen sind. Auch Dickdarmkrebs wird immer häufiger. Betreibt man da Amputation als Vorbeugemaßnahme?
Die meisten lassen ihren Hund kastrieren „weil man es halt so macht“. Ohne darüber weiter nachzudenken (und oft durch den Druck der Tierärzte ausgelöst) setzen sie ihrem Hund dem Risiko einer Vollnarkose aus und lassen ihn sich zurechtschnibbeln.
Ein Hauptgrund für die Kastration von Rüden ist die Bequemlichkeit. Dem Hundehalter ist der Trieb seines Schützlings lästig oder befremdet ihn gar und macht mal schnell ein Neutrum aus ihm. Warum musste es ein Rüde sein, wenn einem genau das lästig ist, was einen Rüden ausmacht? Warum ist dann bei der Anschaffung nicht die Wahl auf ein Mädchen gefallen? Ist der Rüde zu wild, zu temperamentvoll, läßt er sich im Freilauf schlecht herrufen, dann ist das Wegschneiden der Hoden für viele Hundehalter oft die Lösung. Dumm nur, dass der Rüde nicht wild ist, weil er Geschlechtsteile hat sondern weil das eben sein individuellles Temperament ist. Und er wird sich auch ohne Hormone nicht besser herrufen lassen, weil seine Hauptinteressen nach wie vor scheinbar nicht bei seinem Menschen liegen. Das ist dann aber eine Bindungsfrage. Hier liegen die Probleme oft ganz woanders. Und hat ein Rüde Probleme bei Hundebegegnungen, wird er sie nach dem Entfernen seiner Hoden immer noch haben.
Hündinnen werden zwei mal im Jahr läufig und bluten dabei. Wir Frauen bluten auch auch. Das ist normal und gehört zum Zyklus dazu. Hündinnen versuchen so gut es geht sich dabei sauber zu halten und das Blut aufzulecken. Im Notfall verwenden Sie spezielle Schutzhöschen um Sofas und Teppiche zu schonen.
Kastrieren bedeutet neutralisieren. Im Englischen heißt es "to neuter". Seien Sie sich bewußt: Sie machen aus ihrem Hund ein Wesen ohne geschlechtliche Identität. Und dies kann so viele Probleme mit sich ziehen.
Bitte bedenken Sie auch, dass das immer moderner werdende Frühkastieren vor der Geschlechtsreife verhindert, dass Ihr Hund jemals richtig erwachsen wird. Und nein, das ist nicht süß. Hunde werden im Alter weiser, souveräner und würdiger. Ein ewiges Riesenbaby zu haben ist doch wirklich nichts Erstrebenswertes. Die Pubertät gehört zur Entwicklung eines Lebewesens dazu.
Die Kastration kann viele Nebenwirkungen haben von Wesensveränderungen, die man eben nicht haben wollte, über Inkontinenz bei den weiblichen Tieren, weil der Beckenboden absackt, Schilddrüsenunterfunktion, Fellveränderungen, Gewichtszunahme, Fellverlust bis zu Milz- oder Leberkrebs, die durch die Hormonveränderung begünstigt werden. Hormone gehören zu jedem Lebewesen dazu. Wenn diese als störend empfunden werden, ist vielleicht die Anschaffung eines Hundes gar keine so gute Idee.
Hat man einen Rüden, der längerfristig sichtbar leidet, der nur noch weinend im Haus sitzt, nichts isst vor lauter Liebeskummer, könnten Sie das Einsetzen einen Hormonchips versuchen und dann immer noch abwägen: Geht es dem Hund damit besser? Machen Sie es für den Hund oder für Ihre eigene Bequemlichkeit? Ein Chip verliert nach einem halben Jahr seine Wirkung – abgeschnittene Hoden können Sie nie wieder annähen lassen.
Zu diesem Thema empfehle ich Ihnen das Buch „Kastration und Verhalten“ von Dr. Udo Gansloßer und Sophie Strodbeck.
97.
Das PubertierKönnen Sie sich noch an Ihre Pubertät erinnern? Wie waren Sie als Teenager? Oder haben Sie gar selber einen Teenager?
Ich bin 67er Jahrgang und hatte ziemlich coole Eltern, aber ich war ein furchtbarer Teenager! Mit 12 Jahren beschloss ich rebellieren zu müssen, egal um welchen Preis. Ich wußte zwar nicht genau warum und gegen was ich rebellieren sollte, aber ich tat es. Dummerweise konnte nichts meine Eltern wirklich aus der Fassung bringen, denn ein ruhiges, aufklärendes, Gespräch zur rechten Zeit tat immer seine Wirkung. Wie ich es auch anstellte, meine Eltern blieben freundlich aber dennoch klar, obwohl ich sie uncool, peinlich und spießig fand. Als ich mich Anfang der 80er deutlich anders kleidete als andere Gleichaltrige, um zu provozieren, fanden sie das auch noch süß, was mich total ärgerte. Meine Pubertät dauerte sehr lange, aber meine Eltern blieben gelassen. Erst als ich „erwachsen“ war, erkannte ich, wie toll sie waren und habe mich ausgiebig entschuldigt. „Wofür denn? Du warst ein tolles Mädchen!“
Die verflixten Hormone. Sie verhindern logisches Denken und vernünftiges Handeln. Sie dienen einem Heranwachsenden dazu, sich vom Elternhaus zu lösen, sich abzunabeln, selbstständig zu werden, Erfahrungen zu sammeln, zu erkennen, wie man sich anfühlt, wo die eigenen Grenzen liegen, wie man auf andere wirkt und letztendlich um einen Sexualpartner zu finden. Die Individualität entwickelt sich. Würde man diese Zeit versäumen, bliebe man ein ewiges Mamakind. Die Zeit der Schritte vom Kind zum Erwachsenen ist enorm wichtig, um zu einer Persönlichkeit zu reifen, zu sich selbst zu finden. Klammern die Eltern zu sehr, bleibt man unselbstständig. Lassen sie einen jedoch immer wieder Erfahrungen sammeln und reflektieren sie diese mit dem Kind, dann hat man als Pubertierender gute Vorbilder, eine sichere Anlaufstelle, einen Ansprechpartner, vor allem wenn doch mal nicht alle so klappt, wie man sich es vorgestellt hat. Was nicht allzu selten in dieser Zeit der tausend Wirren vorkommt. Und man hat jemanden dem man vertrauen kann.
Kommen wir nun zur Pubertät unserer Hunde: Denen geht es nicht anders. Im zarten Babyalter, oft mit viel zu frühen acht Wochen werden sie von ihrer Mama und ihren Geschwisterchen von uns Menschen für immer weggerissen. Von nun an übernehmen wir die Elternfunktion. Zwischen sieben und 18 Monaten setzt die Pubertät bei unseren Hunden je nach Rasse ein und endet mit Beginn des dritten Lebensjahres. Bis dato war alles super. Baby hing an Mamas Rockzipfel, der Überlebensdrang machte es notwendig, immer bei seinen Menschen zu bleiben, denn Alleinsein kann im schlimmsten Fall den Tod bedeuten.
Bis dahin war alles easy, denn seine Menschen waren das Tollste und Wichtigste in seinem Leben. Aber ab Beginn der Pubertät unseres Zöglings liegt es die nächsten zwei Jahre an uns Hundehaltern, uns zu als gute „Hundeeltern“ bewähren. Je verständnisvoller, klarer, freundlicher und ruhiger wir bleiben, desto mehr wird bei unseren vierbeiningen Pubertier im Hinterkopf verankert sein, wie großartig wir sind.
Bitte haben Sie Verständnis. Es wäre unnormal, würde unser Teeny-Hund sich nicht so verhalten, wie sich ein pubertierender Hund verhält: Rückruf klappt so gut wie gar nicht mehr. Alles ist spannender als wir Menschen. Man ist von allen Reizen von außen maximal abgelenkt. Alles was ihnen begegnet wird mit übertriebenem Mißtrauen, großer Unsicherheit oder übersteigerter Begeisterung aufgenommen und drastisch hochgespielt. Die Hormone verhinden klares oder logisches Denken. Da können Sie noch so schimpfen oder schreien. Es wird genau das Gegeteil bewirken. „Die/der Alte nervt!“
Arbeiten Sie in dieser Zeit an Ihrem Verhalten und nicht an dem Ihres Hund. Seien Sie toller, spannender, begehrenswerter, unübertrefflicher als alle Reize von außen. Seien bzw. werden Sie der Hundehalter, den Ihr Hund auch weiterhin mit Freuden als Anlaufstelle und als Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte braucht und nicht das keifende, strafende, unberechenbare, schlecht gelaunte Etwas, das ihn ja letztendlich freiwillig in diese Zwangsbeziehung geholt hat. Haben Sie Nachsicht. Er meint es nicht böse. Er kann nicht anders. Das ist nicht gegen Sie gerichtet. Einer von Ihnen beiden muss einen klaren Kopf bewahren. Sie sind nicht mehr in der Pubertät und haben einen deutlich höheren IQ als Ihr Hund. Nutzen Sie diesen.
Seien und bleiben Sie erwachsen, lebenserfahren und weise. Bleiben Sie das Vorbild für Ihren Hund und nicht die Person, von der man sich eigentlich abnabeln will oder vor der man gar Angst haben muss.
In zwei Jahren erhalten Sie den Lohn dafür. Ein Partner durch Dick und Dünn, der zu schätzen weiß, was er an Ihnen hat. Da müssen Sie durch, lieber Hundehalter. Ihr Hund ist kein Flegel - er ist normal.
96.
AuslastungEin Jagdhund kann jagen, muss es aber nicht
Ein Hütehund kann hüten, muss es aber nicht
Ein Apportierhund kann apportieren, muss es aber nicht
Ein Wachhund kann wachen, muss es aber nicht
Ein Schlittenhund kann Schlitten ziehen, muss es aber nicht
Ein Treibhund kann treiben, muss es aber nicht
Ein "Kampfhund" kann kämpfen, muss es aber nicht
Und ebenso:
Ein Galopprennpferd kann Galopprennen gehen, muss es aber nicht
Ein Springpferd kann springen, muss es aber nicht
Ein Trabrennpferd kann Sulkys ziehen, muss es aber nicht
Ein Dressurpferd kann Dressurturniere machen, muss es aber nicht
Ein Kutschpferd kann Kutschen ziehen, muss es aber nicht
Verstehen Sie worauf ich hinaus will? Wir haben Hunderassen gezüchtet, bei denen gewisse Fähigkeiten (die alle vom Jagdverhalten stammen) vorrangig sind, um sie durch gezielte Förderung uns zu Nutze zu machen. Damit ihre Fähigkeiten unseren Zwecken dienen. Letztendlich sind Hunde immer noch Hunde, also Raubtiere, die täglich ca. 20 Stunden Schlaf bzw. Ruhe brauchen und für die jede Form von Streß kontraproduktiv ist.
Würden all diese aufgezählten Hunderassen auf der Straße leben, würde man keinen Unterschied bemerken. Alle würden sich so wenig wie möglich bewegen, was typisch für Raubtiere ist, und in den paar Stunden des Wachseins würden sie die Straßen durchstreifen (im Schnitt 1 km pro Tag) auf der Suche nach Essbarem und zum Schnüffeln und Markieren, also Kommunikation über Geruch mit den Kollegen und eventuell bei Sympathie die Zeit miteinander verbringen oder ein wenig spielen. Würden sie rennen, würde ihnen alles Wichtige entgehen.
Wohl kaum würde der Border Collie, der auf der Straße lebt, krampfhaft etwas zum Hüten suchen oder über Hindernisse springen, die man auch umgehen kann, der Wachhund etwas zum Bewachen suchen, der Jagdhund in den Siedlungen umherrennen, der Schlittenhund aufgekratzt sein, weil er keine Menschen ziehen darf, der sogenannte "Kampfhund" nur darauf lauern, wen er als nächstes töten könnte oder der Windhund im Ausdauersport-Modus sein Leben in Zeitraffer verbringen. Hunde sind Energiesparer. Kaum ein Tier rennt länger als ein paar Minuten, außer es ist auf der Flucht. Wir sind aber nicht auf der Flucht. Flucht ist Streß.
Den Drang nach Auslasten haben wir Menschen, die wir in diesem System leben, in dem Fleiß und Strebsamkeit wünschenswerte Tugenden sind, in dem faul zu sein als etwas Negatives gilt. "Du fauler Hund!" ist schließlich kein Kompliment.
Naturvölker hingegen leben in etwa wie Straßenhunde. Ruhen, zusammensein und auf Nahrungssuche gehen, sprich jagen, Ackerbau im kleinen Stil oder sammeln.
Das Problem der meisten Hundehalter ist, dass die Hunde zu hektisch und hibbelig sind, an der Leine ziehen oder im Freilauf sich nicht mehr herrufen lassen, bzw. nicht mehr ansprechbar sind. Und das sind meistens die Hunde, die gutgemeint genau deswegen ausgelastet werden, weil sie sonst angeblich noch hibbeliger werden würden. Hundesport, exzessives Ballwerfen, am Fahrrad mitlaufen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Je mehr der Hund "ausgepowert" wird, desto mehr Adrenalin, Cortisol und andere Hormone produziert sein Körper. Und dieser Cocktail macht süchtig. Es wirkt wie Kokain oder Ecstasy beim Menschen. Man will mehr, weil man deutlich über seine eigenen körperlichen Grenzen gehen kann. Man will high sein und bleiben.
Schlafentzug durch zuviel Auslastung ist nicht selten bei Hunden. Überlegen Sie, wie wir reagieren, wenn wir zuwenig Schlaf haben. Wir werden gereizt, übersensibel, aggressiv, unkonzentriert und sind gestresst. Und wenn wir uns dazu noch den Tag mit Terminen vollstopfen, drehen wir irgendwann mal total am Rad oder bekommen Depressionen. Bis zum Burn Out, welches schon fast eine Volkskrankheit geworden ist. Leistung! Action! Powern! Und in der Freizeit dann noch schnell eine Stunden Joggen oder Radfahren im High Speed Tempo mit Tunnelblick. Wer bremst verliert!
Ich kann Ihnen nach jahrelanger Arbeit und Erfahrung mit Problemhunden egal welcher Art nur dringend ans Herz legen: Entschleunigen Sie sich und Ihren Hund. Fahren Sie das Tempo runter. Back to the roots. Nehmen Sie ihren Hund als Medium zum Herunterunterkommen, zum Entspannen, zum Chillen, zum gemeinsamen Genießen. Bummeln Sie mit ihm, wenn er an der Leine ist und geben Sie ihm die Gelegenheit, wieder zu schnüffeln und zu markieren. Es ist sein Spaziergang und nicht Ihrer. Sie begleiten ihn und schlagen den Weg vor, aber lassen Sie sich nicht von seiner Hektik, die letztendlich SIE ihm begebracht haben, anstecken. Zeigen Sie ihm, wie schön Bummeln ist, wie schön ein entschleunigter Spaziergang (es sollten je nach Rasse circa 2 - 3 Stunden in der Summe täglich sein) sein kann. Was man alles entdecken kann, wenn man weg von der Ausdauersport-Idee oder dem Auspowern kommt. Auslasten bedeutet die Sinne einzusetzen, aber nicht nach unserem menschlichen Gutdünken. Lassen Sie sich von Ihrem Hund seine Welt zeigen und nicht umgekehrt. Und bleiben Sie im Bummeltempo, auch wenn der Hund im Freilauf oder an der Schleppleine ist. Da kann er selber entscheiden, wie schnell er gehen möchte. Sie werden erstaunt sein, wenn Sie ihn nicht zum Rennen und Hetzen animieren, wieviel kürzer die Galoppphasen werden und wieviel kleiner der Abstand zu Ihnen werden wird. Rufen Sie ihn nur dann, wenn es wirklich nötig ist. Es ist sein Spaziergang. Und lassen Sie ihn bitte so wenig wie möglich alleine. Einsamkeit bedeutet nicht Ruhe sondern Streß. Wenn Sie das wirklich langfristig durchziehen, werden Sie sehen, um wie vieles entspannter Sie und ihr Hund werden und wie Ihr Hund viel mehr auf Sie achtet.
Seien Sie klug, seien Sie weise und seien Sie ein guter Kamerad Ihres besten vierbeinigen Freundes. Wir sind nicht auf der Flucht. Ihr gemeinsames Zusammenleben ist zeitlich begrenzt. Führen Sie sich das bitte immer wieder vor Augen.
Foto: Straßenhund am Strand von Sri Lanka
95.
Über die Freundschaft
Wie definiert man Freundschaft?
Gegenseitige Sympathie, Zuneigung und Vertrauen, das sich Respektieren in seinen Eigenarten, das sich gegenseitige zur Hilfe kommen. Das sind die Erklärungen, die man dazu im Netz findet.
Es steht allerdings nichts dabei, dass der eine dem anderen Befehle erteilt, erzieht, einer dem anderen gehorsam sein muss, ihn dressiert, schlägt, straft, tritt, ruckt, würgt, bedroht oder Ähnliches.
Und eine Freundschaft mit einem Tier? Unsere Hunde schenken uns freiwillig Ihre Freundschaft, ihre Sympathie, ihre bedingungslose Liebe. Sie lieben uns mit all unseren Ecken und Kanten, mit all unseren Fehlern.
Und wie sieht das Ganze von unserer Seite aus? Ist es so schwer, genau dies zurück zu geben? Warum fällt es den meisten Hundehaltern so schwer, ihrem Hund ein wirklich bester Freund zu sein? Ist die Vorstellung, seinem Hund ein bester Freund und nicht sein Oberlehrer oder sein Oberbefehlshaber zu sein wirklich so abwegig? Der Drang ihn zu kontrollieren, zu korrigieren, zu herrschen, zu befehlen und zu strafen ist so in den Hundehaltern drinnen. Warum? Das ist doch genau das Gegenteil von Freundschaft. Einem Hund der beste Freund zu sein, gegenseitiges Vertrauen, einer für alle – alle für einen, durch Dick und Dünn, ein Miteinander und kein Gegeneinander... das ist Freundschaft. Und das ist harte Arbeit. Aber nicht am Hund, nur an sich selber. Jeden Tag auf Neue.
Haben Sie einen besten Freund? Jemand, dem Sie alles anvertrauen können, jemand, der immer für Sie da ist, der für Sie wenn Sie in Not sind alles stehen und liegen läßt? Was mussten Sie dafür tun, das dem so ist? Solche Freundschaften sind gewachsen und können ein Leben lang halten – wenn man was dafür tut. Geschenkt gibt es nichts im Leben. Freundschaften kommen und gehen. Je älter man wird, desto anspruchsvoller wird man. In der Jugend hat man viele Freunde, und manchmal einen besten Freund. Im Alter hat man immer weniger, und wenn man dann noch einen wirklichen besten Freund hat, kann man sich sehr sehr glücklich schätzen.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie ähnlich sich zwei beste Freunde sind? Weil der eine den anderen erzieht? Mit Sicherheit nicht. Sondern die beiden schauen von sich gegenseitig ab. Kopieren unbewußt Spracheigenheiten, Gestik, Mimik und soziales Verhalten des anderen.
Kennen Sie die Geschichte von James Bowen und seinem Straßenkater Bob? Der Kater hat diesen Menschen als seinem besten Freund ausgesucht. James hat nichts gewollt, Bob hat ihn ausgesucht und ist ihm in allen Situationen treu geblieben. Ohne Bedingung. Das ist eine wirkliche Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Und das ist möglich. Und zwischen Ihnen und Ihrem Hund wesentlich einfacher als zwischen Ihnen und einer Katze. Wenn wir lernen loszulassen und weg kommen vom Wollen, dann wird das Zusammenleben zwischen Ihnen und Ihrem Hund ein Leichtes.
Bitte seien Sie Ihrem Hund der beste Freund. Er hat nur Sie – sonst niemanden. Bitte kommen Sie von dem Gedanken ab, dass er Ihnen gehorchen muss. Er ist ein Tier – und er liebt Sie von ganzen Herzen. Das sollten wir uns primär vor Augen führen. Wer gibt uns das Recht von ihm Gehorsam zu fordern? Von ihm zu verlangen, sich vor uns in eine von uns gewünschte Körperpostition zu begeben? Zu verlangen, dass er sich noch mehr unterordnen soll, als er es sowieso von Natur aus tut?
Und bitte haben Sie keine Angst: Er wird kommen, wenn Sie ihn rufen, weil er ihr Freund ist, aber das müssen Sie sich erarbeiten und sich verdienen, aber eben nicht andressieren. Er wird ruhig sein, wenn Sie ihm zeigen wie ruhig Sie in stressigen Situationen sein können. Er wird entspannt sein, wenn Sie als einziges Vorbild das er hat, es ihm vormachen, gerade, wenn um Ihnen herum nur noch Chaos herrscht. Er wird vernüftig reagieren, wenn Sie vernüftig sind. Es steht und fällt mit Ihrem Verhalten – die Freundschaft.
In diesem Sinne – seien Sie ein verläßlicher, kluger, achtsamer, kreativer, weiser und empathischer Freund, und Ihr Hund wird Ihnen ein Ebensolcher sein. In jeder Situation.
94.
Kennen Sie das:
Jemand ruft hinter Ihnen Ihren Namen, und sie drehen sich fragend und suchend um und schauen, wer das gewesen sein könnte. Sie haben eine Erwartungshaltung und sind neugierig, was diese Person Ihnen wohl mitteilen möchte, bzw. was sie wohl von Ihnen möchte. Das ist fast ein Reflex. Nennt eine Person, die Sie kennen freundlich Ihren Namen, sind Sie schon fast gespannt, was sie Ihnen wohl zeigen oder mitteilen möchte. Nennt diese Person jedoch genervt oder gar fordernd Ihren Namen, dann sind Sie selber auch sofort genervt, verdrehen vermutlich die Augen und wünschen diese Person in diesem Moment sonstwohin. Selbst wenn Sie sie lieben. Sie fühlen sich durch sie in dem gestört, was sie gerade tun. Käme Derartiges öfter vor, würden Sie sich sicherlich innerlich von ihr abwenden und sie immer mehr als Negativ- und Störfaktor in Ihrem Leben empfinden.
Kommen wir zum Hund, bzw. Ihrer Beziehung und Ihrem Zusammenleben mit Ihrem Hund.
Wir nehmen jetzt mal folgendes Beispiel: Ihr Hund macht etwas, was Sie nicht möchten, z.B. an Ihre Einkäufe gehen, wenn Sie nach Hause kommen oder draußen beim Spazieren gehen in einen Garten reinlaufen, dessen Gartentürchen offen ist. Oder eine Fährte aufnehmen. Oder etwas Essbares im Gebüsch suchen. Normales Hundeverhalten. Die Einkäufe stehen am Boden herum und sind ungesichert, also für einen Hund in seiner Hundewelt, in seiner Hundedenke freigegeben. Das Gartentürchen, das offen steht ist für einen Hund eine Gegend, die er noch nicht erkundet hat. Dass Zäune eine menschliche Grenze zwischen Mein und Dein sind, wird er in seiner Hundewelt nicht verstehen, vor allem nicht, wenn sie nicht durchgehend geschlossen sind. Eine Fährte, die er erschnüffelt und der er folgen will ist in seiner Welt eine spannende Info, die seine Fähigkeiten fordert. Ein verlockender Essensgeruch, dem er folgt sichert in seiner Welt sein Überleben. Es gäbe unendlich viele Beispiele wie diese, die für den Hund in seiner Welt einen Sinn ergeben, und auf die die ein Hundehalter dann mit einem sogenannten Abbruchsignal reagiert. Ein Abbruchsignal ist ein PFUI! NEIN! AUS! KSCHT! in der klassichen Hundeerziehung, in der modernen TV-Hundetrainererziehung das Nachwerfen von Rappeldosen, Wurfketten oder Discs, das in der Schweiz mittlerweile verbotene Sprühhalsband oder das in Deutschland verbotete Stromhalsband. Diese Liste läßt sich endlos erweitern. Da werden Hundehalter bizarrerweise auf einmal sehr kreativ, wenn es darum geht, den eigenen Hund zu erschrecken oder zu bedrohen.
Der Hund erschrickt folglich bzw. bekommt Angst und unterläßt in der Regel sein Vorhaben. Den Grund für die Reaktion seines Menschen versteht er in seiner Welt nicht, er bekommt nur mit, dass sein Mensch auf einmal schlecht gelaunt und ziemlich unberechenbar ist.
Vielleicht habe Sie ja in Ihrem Bekanntenkreis einen unberechenbaren Mitmenschen. Mit so jemandem möchte man nicht zwingend viel Kontakt haben, nicht wahr?
Wenn Sie das nächste mal in eine Situation kommen, in der der Hund etwas macht, was Sie nicht möchte, sagen Sie bitte doch einfach mal ganz freundlich, leise, erwartungsvoll, ja fast fragend seinen Namen. In dem Moment, in dem er Sie anblickt, loben Sie ihn leise und sehr freundlich und bitten ihn zu sich her, geben ihm ein Leckerchen oder fordern ihn motivierend auf, mit ihnen weiter zu gehen. Und er somit hat er vergessen, was er gerade tun wollte. So elegant löst man kleine Problemchen in Freundschaft. Das müssen Sie nicht trainieren, machen Sie es einfach dann, wenn die Situation es erfordert.
Somit sind Sie in seinen Augen nicht die Spaßbremse, die ewige Nörglerin, die unberechenbare schlechte-Laune-Verbreiterin, sondern die Person, die immer die besseren Ideen hat. Je mehr sie dies verfeinern, desto besser wird diese Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Hund klappen. Probieren Sie es aus! Es macht Spaß! So bekommen Sie einen wirklichen Freund, einen tollen Partner durch Dick und Dünn.
Ich habe meine fünf Hunde noch nie gestraft, geschimpft oder gemaßregelt. Sie kennen mich nur als eine sie unendlich liebende, freundliche Sozialpartnerin, der man zu 100% vertrauen kann. Und sie wissen, dass Ihr Name stets positiv besetzt wird. Das ist das Geheimnis. Eigentlich ganz einfach, finden Sie nicht?
In diesem Sinne – bleiben sie freundlich, bleiben Sie gerecht und bleiben Sie fair zu dem Wesen, welches Sie mehr liebt als Sie je ein Mensch lieben wird.
93.
Der Leinenruck
Mit eine der meist ausgeführten Strafen, die dem Hund angetan werden. Jeder macht es, teilweise sogar schon unbewußt. Mit dem Leinenruck fügen wir dem Hund etwas Unangenehmes, etwas Schmerzhaftes zu. Man verwendet ihn in der Regel so, wie wenn man ein Kind schüttelt und es somit zur Räson bringen will.
Der Hund wird geruckt: Wenn er zieht. Wenn er die Länge der Leine auskostet, die ihm der Hundehalter läßt. Wenn der Hund nicht nahe genug bei seinem Menschen geht. Wenn er zu anderen Hunden hinwill. Wenn er knurrt, bellt oder andere Geräusche von sich gibt. Wenn er ein Kommando nicht befolgt. Wenn er nicht stillsteht und und und... Die Gründe sind unendlich. Und als Strafe wird im mit einem harten Ruck die Luftröhre eingedrückt. Vergleichbar mit einem Handkantenschlag gegen unsere Luftröhre.
Warum machen das so viele Hundehalter? Erwarten sie tatsächlich, dass der Hund dann das unerwünschte Verhalten ein für alle mal sein läßt, bzw. das verlangte Verhalten auch tatsächlich ausführt? Dem Hund zu unterstellen, dass er ein Schuld- und Unrechtsbewußtsein hat, ist eine ganz üble Form der Vermenschlichung. Wir erwarten, dass er blindlings unsere Wünsche und Befehle befolgt und sich dessen dann bewußt wird, warum ihm die Luftröhre eingedrückt wird. Anstatt ihm das Gewünschte einfach noch mal in Ruhe zu zeigen, beizubringen, wird lieber ungehemmt gestraft. Scheinbar liegt das den meisten Hundehaltern mehr. Warum? Was bringt es, dieses ruckartige Zufügen von schlimmen Schmerzen? Wut über den Hund, der nun mal in seiner kleinen Hundewelt lebt oder Wut über die eigene Unzulänglichkeit?
Wenn wir jetzt mal betrachten aus wie vielen Gründen geleinenruckt wird – woher soll bitte der Hund in dem Moment wissen, was Ihr Anliegen ist? Bitte bitte geben Sie doch Ihrem Hund die Gelegenheit, es richtig zu machen:
Zeigen Sie ihm, dass Gehen an der durchhängenden Leine sich lohnt, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer, wenn Sie nicht wollen, dass er die von Ihnen gewährte Länge ausnutzt, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer, wenn Sie wollen, dass er dicht bei Ihnen geht, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer, wenn er still stehen soll, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer und bringen Sie ihn auf Ihre andere Seite, wenn er (verständlicherweise) zu anderen Hunden hinwill, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Schützen Sie ihn, wenn er knurrt (er schützt sich sonst verständlicherweise selber), anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Beruhigen Sie ihn, wenn er bellt, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Haben Sie ihm ein Kommando vielleicht gar nicht richtig beigebracht, wenn er es nicht befolgt? Oder ist er gar so gestreßt, dass er es aus Gründen des Selbstschutzes gar nicht befolgen kann? Versetzen Sie sich in ihren Hund. Vollziehen Sie einen Perspektivenwechsel. Wie würde es Ihnen in solchen Situationen gehen?
Und: Auch mit Brustgeschirr (was dem Halsband IMMER vorzuziehen ist) bewirkt ein Leinenruck einfach nur Streß für einen Hund, schürt aber keinerlei Schuld- oder Unrechtsbewußtsein.
Fazit: Lassen Sie es doch einfach. Lassen Sie diese sinnlose Gestrafe, dieses Dampf ablassen an diesem Sie liebenden, unschuldigen Wesen, welches Sie vergöttert. Jeder andere würde Sie für so eine Behandlung für immer hassen.